Der Wald ist der wichtigste Lebensraum für Pilze: Hier wachsen mehr als zwei Drittel aller einheimischen Pilzarten. Umgekehrt spielen die Pilze für das komplexe Ökosystem Wald eine zentrale Rolle. Sie zersetzen organisches Material wie Holz, Laub oder Nadelstreu und halten so den Nährstoffkreislauf in Schwung. Und für Insekten, Kleinsäuger und Schnecken sind sie selber eine Nahrungsquelle.

Was wir als Pilz bezeichnen, ist lediglich der Fruchtkörper. Das Mycel, das feine Pilzgeflecht, wächst für uns verborgen im Boden oder im Holz.

Mykorrhizapilze

Rund 1600 einheimische Pilzarten leben mit Waldbäumen in einer Symbiose, einer Lebensgemeinschaft also, von der beide profitieren. Diese Pilze, so genannte Mykorrhizapilze, versorgen die Baumwurzeln mit Wasser, verbessern deren Nährstoffversorgung, filtern gewisse Schadstoffe und schützen die Wurzeln vor Krankheitserregern. Umgekehrt erhalten sie vom Baum Zuckerbausteine, die sie mangels Photosynthese nicht selber herstellen können. Diese Lebensgemeinschaft ist hochspezifisch: gewisse Pilzarten kommen nur zusammen mit bestimmten Baumarten vor.1

Saprophyten

Gemeiner Samtfüssrübling (Flammulina velutipes), stirnseitig an einem Eschenstamm

Andere Pilze, die Saprophyten oder Fäulnisbewohner, leben auf dem Totholz spezifischer Baumarten und bauen die Holzsubstanz ab oder sie bauen zusammen mit weiteren Mikroorganismen anderes organisches Material wie abgestorbene Krautpflanzen, Laub, Nadeln und tote Tiere ab und verwandeln dies wieder in wertvollen Humus. Zu den Saprophyten gehören etwa der Gemeine Samtfussrübling (Flammulina velutipes, siehe oben), die Speise-Morchel (Morchella esculenta, siehe unten) oder der Blasige Becherling (Peziza vesiculosa).

Parasiten

Schliesslich gibt es Pilze, die als Parasiten den Wirtsbaum schädigen und zum Absterben bringen. Auch sie sind unter dem Aspekt des Naturschutzes wichtig, weil sie im Wald eine Dynamik und eine Strukturvielfalt fördern.

In der Schweiz kommen rund 5500 Grosspilze vor, wobei die allermeisten ungeniessbar sind. Etwa 200 Grosspilze sind giftig und rund 300 essbar.2 Im Kanton Zürich ist das Sammeln von Pilzen vom ersten bis zum zehnten Tag jedes Monats verboten; an den übrigen Tagen darf man Pilze sammeln – allerdings nur ein Kilogramm pro Person. Die Wälder um Winterthur sind – was die Pilze betrifft – aufgrund der Strukturvielfalt relativ artenreich.

Zu den bekanntesten Pilzarten unserer Gegend gehört der giftige Fliegenpilz. Er ist von August bis Oktober verbreitet in Fichtenwäldern anzutreffen. Auf dem Lindberg, auf dem Eschenberg oder auf dem Hulmen zum Beispiel ist der Fliegenpilz auf sauren Böden sehr häufig zu sehen – auch in Laubwäldern, vor allem in der Nähe von Birken und an Waldrändern.

Ein anderer bekannter Pilz, die Morchel, gedeiht beispielsweise in den ehemaligen Auenwäldern im Leisental. Auf den sauren, teilweise mit Heidelbeeren bewachsenen Böden am Hulmen findet man den Flockenstieligen Hexenröhrling, den Maronenröhrling oder Steinpilze. Auf den eher basenreichen Böden unterhalb von Eidberg kommt die Schleiereule (Blaugestielter Schleimkopf) oder der Trompetenpfifferling vor.

In den Nadelholzbeständen des Eschenbergs, etwa beim Gamser, findet man Reizker, diverse Täublinge und ebenfalls Steinpilze. Eierschwämme, den seltenen Ochsenröhrling, Steinpilze, den Kuhröhrling oder den rosaroten Gelbfuss lassen sich auf den sauren Böden um Ricketwil aufspüren.

Auf Baumstrünken findet man häufig das Stockschwämmchen oder den Hallimasch und auf Buchenlaub die Herbsttrompeten. Auf Moos und in Fichtenverjüngungen wachsen Eierschwämme und Trompetenpfifferlinge. Und schliesslich finden sich in Lichtungen von Nadelwäldern der Parasol und dern Safranschirmling. Selbstgepflückte Pilze bringt man – zur eigenen Sicherheit – am besten immer zu Pilzkontrollstelle.

Flechten

Eine Sondergruppe von Pilzen sind jene, die zusammen mit Algen in einer Symbiose leben und so die Flechten bilden. Flechten sind vollkommen selbstständige Organismen. Baumbewohnende Flechten sind vom Boden unabhängig und leben epiphytisch, sitzen also auf Bäumen auf. Dabei schaden sie dem Baum nicht: Sie haben nämlich keine Wurzeln und nehmen die Nährstoffe aus der Luft über den Regen auf, über den Tau, den Wasserdampf oder über das Wasser, das den Stamm herunterfliesst.

Die Symbiose von Pilz und Alge stellt ein sensibles Gleichgewicht dar.3 Die Alge ist gewissermassen das Kraftwerk der Flechte: Sie führt dem Pilz den Zucker zu, den dieser nicht selber produzieren kann. Der Pilz andererseits schützt die Flechte vor dem Austrocknen.

Viele Flechten benötigen altes oder totes Holz als Unterlage. In der Schweiz ist jede dritte Flechtenart gefährdet. Der Anteil der gefährdeten Baumflechten ist am höchsten in lichten naturnahen Wäldern, Altholzbeständen, lichten Eichen-Mittelwäldern, auf mächtigen Eichen in Wäldern oder an Waldrändern.4 Flechten sind verlässliche Indikatoren für den Zustand des Waldes, vor allem der Luftqualität.

Einzelnachweise

  1. Senn-Irlet Beatrice et al. (2012): Pilze schützen und fördern. Merkblatt für die Praxis, WSL (Hrsg.), S. 3. ↩︎
  2. ebd. ↩︎
  3. Scheidegger Christoph & Clerc Philippe (2002): Rote Liste der gefährdeten Arten der Schweiz: Baum- und erdbewohnende Flechten. Hrsg.: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft BUWAL, Eidgenössische Forschungsanstalt WSL Birmensdorf und Conservatoire et Jardin botaniques de la Ville de Genève CJBG. BUWAL-Reihe Vollzug Umwelt, S. 20. ↩︎
  4. ebd., S. 9. ↩︎
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