Weiher auf dem Chomberg

Situationsplan

Kies aus einem Schmelzwassersee

Noch in den Jahren um 1960 gewann man auf dem Chomberg Kies. Das abgebaute Material stammt aus einer Moräne des Bodenseegletschers. Es handelt sich um eine Ablagerung in einem Schmelzwasser-See zwischen dem Bodenseegletscher-Rand und dem Plateau von Brütten.1 Das Schmelzwaser kam also von Norden, was die gegen Süden einfallenden Schichten beweisen.

Am Nordhang des Chombergs finden wir verschiedene Sölle (Toteismassenlöcher) in der Grundmoräne des Bodenseegletschers. Teile des sich zurückziehenden Gletschers wurden ziemlich schnell isoliert.

Jakob Forster (rechts) als Referent auf einer Exkursion der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Winterthur in der Sandlochgrube Chomberg (© 2015 Michael Wiesner)

Vom Militärplatz zum Naturschutzgebiet

Später diente die Kiesgrube dem Militär als Handgranaten-Wurfgelände. In den späten 80er-Jahren – am Ende des Kalten Krieges – erstellte man an dieser Stelle grosse militärische Depotbauten, deren Decke man metertief mit Wandkies überdeckte. Ursprünglich wollte man die fussballfeldgrosse Fläche mit einer Humusschicht versehen und dann Bäume pflanzen.

Grosse militärische Depotbauten aus den späten 1980er-Jahren auf dem Chomberg

1991 wurde statt dessen ein neues ausgedehntes Naturschutzgebiet geschaffen. Wir konnten das Ingenieurbüro von Erhard Hunziker davon überzeugen, die grosse Fläche in eine «Mondlandschaft» mit Hügeln, lehmabgedichteten Mulden und Karren-Gleisen zu verwandeln. Mit dieser Lösung konnte eine halbe Million Franken eingespart werden!

Die Mulden füllten sich bald mit Meteorwasser und dienen heute einer ganzen Reihe von Amphibien- und Wasserinsektenarten als Brutgewässer. In den steinigen und sandigen Böden nisten viele Wildbienen- und andere Insektenarten, die man auf der Ruderalflora beim Blütenbesuch beobachten kann.

Vernetzung von Nassstandorten

Die Weiher und Tümpel auf dem Chomberg und im Totentäli, die beiden Rotary-Weiher und die regenerierte Lehmgrube im Dättnau bilden ein weit gespanntes Netz von Nassstandorten. Die Entfernungen dazwischen liegen im Bereich der Wanderdistanzen von Kröten und Fröschen. Für fliegende Wasserinsekten könnten sie noch wesentlich grösser sein. Wandernde Tiere sorgen immer wieder für eine «Blutauffrischung», das heisst mit dem Gen-Austausch werden unter anderem Inzuchten vermieden.

Vernetzte Nasstandorte in der Sandlochgrube auf dem Chomberg (© 2019 Michael Wiesner)

Pionierarten

Pflanzen und Tiere sind oft an bestimmte Stadien eines Lebensraumes angepasst und darauf angewiesen, dass immer irgendwo in der Landschaft, und zugleich in erreichbarer Nähe, geeignete Lebensräume vorhanden sind. Man spricht zum Beispiel von «Pionierarten», welche frisch entstandene Lebensräume als erste besiedeln und oft nur dort vorkommen. Dynamische Entwicklungsprozesse von Lebensräumen sind deshalb im Naturschutz von grosser Bedeutung, doch fehlt dafür in unserer «durchorganisierten» Landschaft meist der Raum und ein geeigneter Ort. Deshalb ist der neue Lebensraum in der Sandlochgrube von hohem naturschützerischem Wert.

Der neue Lebensraum in der Sandlochgrube ist von hohem naturschützerischem Wert (© 2015 Michael Wiesner)

Tier- und Pflanzenwelt in der Sandlochgrube Chomberg

Die Grube weist offenen Kiesboden sowie zahlreiche Tümpel und einen kleinen Weiher auf und ist rundum von Wald umgeben. Mit dieser Neugestaltung werden zwei Ziele verfolgt. Zum ersten sollen hier verschiedene im Gebiet der Stadt Winterthur seltene oder gefährdete Tier- und Pflanzenarten gefördert werden, die auf Lebensräume mit unbewachsenen Rohböden (so genannte Pionierstandorte) angewiesen sind. Zum zweiten soll hier ein natürlicher, ungestörter Besiedlungsprozess durch Pflanzen und Tiere ablaufen können, entsprechend der Entwicklung des Lebensraumes.

Geschützte und gefährdete Pflanzenarten

  • Gemeine Akelei (Aquilegia vulgaris)
  • Tausendgüldenkraut (Centaurium umbellatum)
  • Kleinblütiges Tausendgüldenkraut (Centaurium pulchellum)
  • Bunte Kronwicke (Coronilla varia)
  • Natternkopf (Echium vulgare)
  • Französische Rampe (Erucastrum gallicum, verschwunden?)
  • Florentinisches Habichtskraut (Hieracium piloselloides, verschwunden?)
  • Purgier-Lein (Linum catharticum)
  • Ähriges Tausendblatt (Myriophyllum spicatum)
  • Geflecktes Knabenkraut (Dactylorhiza fuchsii)
  • Gemeine Kreuzblume (Polygala vulgaris)
  • Alpen-Ziest (Stachys alpina, verschwunden?)

Neben den geschützten und gefährdeten findet man auf dem ganzen Gelände weitere 150–200 Pflanzenarten.

Amphibien und Reptilien

  • Grasfrosch (Rana temporaria)
  • Wasserfrosch (Rana esculenta)
  • Gelbbauchunke (Bombina variegata)
  • Erdkröte (Bufo bufo)
  • Kreuzkröte (Bufo calamita, einziger Standort weit und breit)
  • Alpenmolch (Triturus alpestris)
  • Fadenmolch (Triturus helveticus)
  • Waldeidechse (Lacerta vivipara)

Insekten

Schmetterlinge (21 Arten)

  • Schwalbenschwanz (Papilio machaon, auch Raupen)
  • Kleiner Kohlweissling (Pieris rapae)
  • Rapsweissling (Pieris napi)
  • Aurorafalter (Anthocharis cardamines)
  • Kleiner Eisvogel (Limenitis camilla)
  • Distelfalter (Cynthia cardui)
  • Kleiner Fuchs (Aglais urticae)
  • C-Falter (Polygonia c-album)
  • Kaisermantel (Argynnis paphia)
  • Märzveilchenfalter (Fabriciana adippe)
  • Tagpfauenauge (Inachis io)
  • Brauner Waldvogel (Aphantopus hyperanthus)
  • Faulbaumbläuling (Celastrina argiolus)
  • Hauhechelbläuling (Polyommatus icarus)
  • Braunstrichiger Dickkopffalter (Ochlodes venatus)
  • Malvendickkopffalter (Pyrgus malvae)
  • Dunkler Dickkopffalter (Erynnis tages)
  • Gewöhnliches Widderchen (Zygaena filipendulae)
  • Hummelschwärmer (Haemaris fuciformis, auch Raupe)
  • Nachtkerzenschwärmer (Proserpina proserpinus)
  • Homklee-Glasflügler (Bembecia ichneumoniformis)

Heuschrecken

  • Grosses Heupferd (Tettigonia viridissima)
  • Gemeine Strauchschrecke (Pholidoptera griseoaptera)
  • Langfühler-Dornschrecke (Tetrix tenuicornis)
  • Säbeldornschrecke (Tetrix subulata)
  • Kleine Goldschrecke (Chrysochraon brachyptera)
  • Rote Keulenschrecke (Gomphocerus rufus)
  • Nachtigall-Grashüpfer (Chorthippus biguttulus)
  • Brauner Grashüpfer (Chorthippus brunneus)

Libellen (16 Arten)

  • Winterlibelle (Sympecma fusca)
  • Weidenjungfer (Lestes viridis)
  • Grosse Pechlibelle (lschnura elegans)
  • Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio)
  • Becher-Azurjungfer (Enallagma cyathigerum)
  • Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula)
  • Hufeisenazurjungfer (Coenagrion puella)
  • Grosse Königslibelle (Anax imperator)
  • Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea)
  • Zweigestreifte Quelljungfer (Cordulegaster bidentatus)
  • Plattbauch (Libellula depressa)
  • Vierfleck (Libellula quadrimaculata)
  • Südlicher Blaupfeil (Orthetrum brunneum)
  • Grosser Blaupfeil (Orthetrum cancellatum)
  • Grosse Heidelibelle (Sympetrum striolatum)
  • Blutrote Heidelibelle (Sympetrum sanguineum)

Faltenwespen

  • Ancistrocerus oviventris
  • Discoelius zonalis
  • Töpferwespe (Eumenes sp.)
  • Gymnomerus laevipes
  • Odynerus spinipes

Grabwespen (12 Arten)

  • Sandwespe (Ammophila sabulosa)
  • Wanzenjäger (Astata sp.)
  • Knotenwespe (Cerceris rybyensis)
  • Ectemnius sp.
  • Zikadenjäger (Gorytes laticinctus)
  • Kuckucksgrabwespe (Nysson sp.)
  • Passaloecus comiger
  • Pemphredon sp.
  • Bienenwolf (Philanthus triangulum)
  • Fliegenspiesswespen (Oxybelus bipunctatus)
  • Oxybelus trispinosus
  • Holzbohrwespe (Tryxpoxylon figulus)

Käfer

  • Feld-Sandlaufkäfer (Cicindela campestris)
  • Wald-Sandlaufkäfer (Cicindela silvicola)
  • Moschusbock (Aromia moschata)
  • Rosenkäfer (Cetonia aurata)
  • Gelbrandkäfer (Dytiscus sp.)

Wanzen

  • Streifenwanze (Graphosoma lineata)
  • Raubwanze (Rhinocoris annulatus)
  • Rückenschwimmer (Notonceta glauca)
  • Wasserläufer (Gerris lacustris)

Fliegen

  • Schwebfliegen (Microdon eggeri, leben räuberisch in Ameisennestern)
  • Microdon mutabilis
  • Raubfliege (Laphria flava)
  • Hummelschweber (Villa sp.)
  • Bohrfliege (Urophora cardui, bohrt Eier in Pflanzengewebe)
  • Waffenfliege (Stratiomys sp.)
Bienenhotel in der Sandlochgrube auf dem Chomberg (© 2015 Michael Wiesner)

Wildbienen (48 Arten)

Sandbienen
  • Andrena chrysosceles
  • Andrena flavipes
  • Andrena fulvata
  • Andrena haemorrhoa
  • Andrena lathyri
  • Andrena minutula
  • Andrena nitida
  • Andrena subopaca
Harzbiene
  • Anthidium strigatum
Wollbiene
  • Anthidium puncatum
Keulhornbiene
  • Ceratina cyanea
Scherenbienen
  • Chelostoma florisomne
  • Chelostoma rapunculi
Schmuckbiene
  • Epeoloides coecutiens
Langhornbienen
  • Eucera longicornis
  • Eucera nigrescens
Furchenbienen
  • Halictus maculatus
  • Halictus rubicundus
  • Halictus simples-Gr.
  • Halictus tumulonim
Maskenbienen
  • Hylaeus communis
  • Hylaeus cf confusus
  • Hylaeus difformis
Furchenbienen
  • Lasioglossum calceatum
  • Lasioglossum laticeps
  • Lasioglossum leucoconium
  • Lasioglossum morio
  • Lasioglossum rufitarse
Schenkelbiene
  • Macropis fulvipes
Blattschneiderbienen
  • Megachile alpicola
  • Megachile centuncularis
  • Megachile ericetorum
  • Megachile lapponica
  • Megachile nigriventris
  • Megachile willoughbiella
Wespenbienen
  • Nomada bifida
  • Nomada flava
  • Nomada flavoguttata
  • Nomada goodeniana
  • Nomada lathburiana
  • Nomada marshamella
  • Nomada panzeri
Mauerbienen
  • Osmia aurulenta
  • Osmia bicolor
  • Osmia claviventris
  • Osmia rufa
Blutbiene
  • Sphecodes gibbus
Düsterbiene
  • Stelis strigata

Einzelnachweise

  1. Zum Vergleich: Märjelensee am östlichen Rand des Aletschgletschers auf einer Höhe von 2348 m ü. M. ↩︎
Thema:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert