Zu den wichtigen Leistungen des Waldes gehört der wirksame Schutz des Menschen, seiner Häuser, Strassen und Bahnlinien. Der Wald schützt den Menschen vor Naturgefahren wie Lawinen, Steinschlag, Rutschungen und Hochwasser. Die Bannwälder oberhalb der beiden Urner Reusstal-Gemeinden Altdorf und Andermatt sind seit dem 14. Jahrhundert als Schutzwälder bekannt. Hier weiss man seit vielen Generationen, dass der Wald die Menschen und ihre Siedlungen zuverlässiger, wirksamer und günstiger schützt als Lawinenverbauungen. Zwar muss auch der Schutzwald regelmässig gepflegt und instand gehalten werden, aber das kostet fünf bis zehn Mal weniger als technische Verbauungen.
Für einen Schutzwald braucht es drei Voraussetzungen: ein Gefahrenpotenzial, ein Schadenpotenzial und natürlich einen Wald. Was ein Schutzwald ist, hat der Bund definiert:
Ein Schutzwald ist ein Wald, der ein anerkanntes Schadenpotenzial gegen eine bestehende Naturgefahr schützen oder die damit verbundenen Risiken reduzieren kann.
Im Wald halten die Baumwurzeln den Boden zusammen, die Bäume entziehen dem Boden Wasser und die Baumkronen halten Schnee und Regen zurück. In den Leitlinien für die zukünftige Forstpolitik der Schweiz gehört es zu den fünf grössten Herausforderungen, die Leistungen des Schutzwaldes sicherzustellen.
Der Wald schützt also die Menschen. Nicht nur in den Bergen, auch im Kanton Zürich, auch – und gerade – in Winterthur. Die Schutzwälder im Kanton Zürich werden aufgrund des Schadenpotenzials, das sie schützen, in drei Kategorien eingeteilt:
- Schutzwälder erster Priorität schützen Menschenleben, bewohnte Siedlungen und wichtige Verkehrswege.
- Schutzwälder zweiter Priorität hingegen schützen weniger stark befahrene Strassen und weitere Sachwerte.
- Schutzwälder dritter Priorität schliesslich schützen Landwirtschaftsland und Wege für die Land- und Forstwirtschaft.
Keine andere Gemeinde im Kanton Zürich weist mehr Schutzwald höchster Priorität auf als Winterthur. Der Schutzwald dieser Kategorie dehnt sich hier auf über 57 Hektaren aus. Der zweitgrösste Schutzwald dieser Kategorie im Kanton Zürich steht in der Oberländer Gemeinde Fischenthal und ist nicht einmal halb so gross wie derjenige in Winterthur.
1. Priorität | 57.21 ha |
2. Priorität | 8.11 ha |
3. Priorität | 270.11 ha |
Knapp 2,5 Prozent der Winterthurer Waldfläche oder über 65 Hektaren an über zwanzig Standorten sind hier als Schutzwald der 1. und 2. Priorität ausgeschieden. Damit liegt Winterthur ziemlich genau im kantonalen Durchschnitt. Einen höheren Anteil dieser Wälder haben im Kanton Zürich vor allem die Gemeinden im Oberland und am Albis. Die gesamte Fläche dieser Schutzwälder in Winterthur entspricht derjenigen von rund 90 Fussballfeldern. Der grösste Schutzwald in Winterthur mit einer Fläche von über 23 Hektaren steht am Gamser im Linsental.
Gebiet | ha |
---|---|
Gamser bis zum Hirschsprung | 23.1 |
Auenrain (östlich von Dättnau) | 5.8 |
Hinterwald gegen Mühlau hinunter (im oberen Leisental) | 5.6 |
Gleit (Osthang Ebnet/Schlosstal) | 4.3 |
Howart bei Kollbrunn | 4.1 |
Bruggenrain (Osthang Ebnet) | 3.3 |
Mittlerer Tössrain (oberhalb Mittlere Au) | 3.0 |
Nübrechten-Chüestelli gegen Sennhof | 2.6 |
Nordhang Brüelberg (Oberfeld) | 2.1 |
Bestlet/Ifang | 1.9 |
Osterwiesen (östlich von Eidberg) | 1.4 |
Westl. von Neuburg zwischen Furt und Aeschau | 1.3 |
Südwestteil des Brüelbergs | 1.0 |
Halten (südlich von Taggenberg) | 1.0 |
Rainacher | 1.0 |
Lochen (Nordhang Beerenberg) | 0.9 |
Mülihalden | 0.8 |
Hardholz südlich der Kläranlage | 0.7 |
Schlosstal | 0.6 |
Insgesamt sind über 335 Hektaren oder 12,6 Prozent der Winterthurer Waldfläche als Schutzwald der 1., 2. oder 3. Priorität ausgeschieden. Der kantonale Durchschnitt liegt hier bei etwas über 20 Prozent.
Wie wichtig die Schutzwälder für Winterthur sind, beweisen die häufigen Hangrutschungen. Viele davon finden im Leisental statt. Zu den bekanntesten und eindrücklichsten Bewegungen gehören der grosse Hangrutsch am Gamser im Jahr 1995 und der Hangrutsch in der Bannhalde zwischen Töss und Rossberg, der die obere Bannhaldenstrasse dauerhaft unterbrochen hat.
Kurz vor Weihnachten 2012 sind zwei Hänge in unmittelbarer Nähe von Siedlungen abgerutscht: Am Brüelbergsüdhang gegen das Schlosstal hinunter – einem Mergel-Sandstein-Hang – rutschten etwa 60 bis 80 Kubikmeter Sandsteinblöcke und Lockergestein ab und blockierten eine Privatstrasse. Bei den Räumungsarbeiten rutschen dann schlagartig nochmals einige Kubikmeter ab, was die Gefährlichkeit solcher Hangrutschungen einerseits und die Notwendigkeit von intaktem Schutzwald anderseits eindrücklich vor Augen führte.
Fast zur gleichen Zeit zerstörte ein Hangrutsch im Auenrain oberhalb der Zürcherstrasse und der Autobahn A1 einen Teil des Kronenrainfusswegs. Dieser soll nun im Frühjahr 2013 verlegt und instand gestellt werden. Etwas südlich davon rutschte fast gleichzeitig eine weitere Hangstelle ab. Bereits früher gab es im zweitgrössten Winterthurer Schutzwald der Priorität 1 zahlreiche Rutschungen.
Auch Schutzwälder brauchen Schutz
Auch Schutzwälder brauchen Schutz. Wenn sie gleichförmig aufgebaut und überaltert sind, werden sie anfällig. Dann können ihnen Sturmwinde oder Insekteninvasionen heftig zusetzen. Auch Klimawandel und Wildverbiss sind ständige Herausforderungen für den Schutzwald. Überalterte Bäume können samt Wurzelballen hangabwärts stürzen. Die dadurch entstehenden Löcher können zu Anrissstellen für Steinschlag und Hangrutsche werden.
Am besten kann der Schutzwald seine Wirkung entfalten, wenn er strukturreich ist und aus allen Altersklassen von Bäumen besteht.
Um die Schutzfunktion des Waldes zu erhalten, muss er also langfristig verjüngt und die überalterten Bäume gefällt werden. Das schafft Platz für den Jungwald. So zum Beispiel im Hinterwald oberhalb von Mülau, an der südlichen Hangflanke des Eschenbergs. Hier steht der drittgrösste Schutzwald der Priorität 1 auf Stadtgebiet. Im März 2013 wird dieser Schutzwald stark verjüngt werden. Weil die Arbeiten hier viel Platz brauchen und gefährlich sind, wird die Linsentalstrasse, das heisst die Verbindung zwischen Sennhof und Kyburg, vollständig gesperrt werden. Diese Totalsperrung wird auch die Staatsförsterei Kyburg nutzen; für einen Sicherheitsholzschlag entlang der Strasse zur Kyburg hinauf.