Die Köcherfliegen bilden eine eigene Insektenordnung mit weltweit über 5000 Arten, von denen etwa 300 in Mitteleuropa vorkommen. Sie gehören zu den holometabolen Insekten, besitzen also ein Puppenstadium zwischen Larve und Imago und sind am nächsten mit den Schmetterlingen verwandt. Gelegentlich werden sie bei oberflächlicher Betrachtung mit Kleinschmetterlingen verwechselt.
Man nennt die Imagines wegen ihren haarigen Flügeln auch «Pelzflügler», wegen ihren teilweise frühen Flugzeiten «Frühlingsfliegen» und wegen ihren Larvenlebensräumen «Wassermotten». Trichoptera heisst «behaarte Flügel» (gr. trix, trichos = Haar; gr. pteron = Flügel).
Weil die Larven vieler Arten zum Teil auffällige Schutzhüllen aus Pflanzenmaterial oder/und Steinchen, Sand, Schneckenhäuschen mit sich herumtragen, erhielten sie den bekanntesten Namen, eben Köcherfliegen. Sie sind entwicklungsgeschichtlich sehr alt. Ihre Urahnen lebten vor gut 120 Millionen Jahren. Man kennt Köcher aus jener Zeit.
In den Bächen wird die Zahl ihrer Larven meist von keiner anderen Insektenordnung erreicht. Sie spielen zusammen mit den Eintags- und Steinfliegenlarven eine grosse Rolle im Ökosystem der Fliessgewässer. Während es Fische gibt, die sich den ganzen Sommer durch fast ausschliesslich von Larven und eierlegenden Imagines der Eintagsfliegen ernähren, fressen die Forellen auch sehr gern Köcherfliegenlarven mitsamt den Köchern.
Einteilung der Köcherfliegenlarven in zwei Hauptgruppen
Die Larven leben in den verschiedensten Gewässern. Manche Arten sind für bestimmte Gewässertypen charakteristisch und an diese optimal angepasst. Wir betrachten in dieser Zusammenfassung in erster Linie die Vertreter der Fliessgewässer.
Generell lassen sich die Larven auf Grund ihres Körperbaues in zwei Hauptgruppen aufteilen, in die raupenförmigen (eruciformen) und diejenigen mit nach vorn gerichteten Mundwerkzeugen, die capodeïden. Das Wort campodeïd setzt sich aus lat. campus = Feld und gr. deido = fürchten, scheuen zusammen. Campodeïde Larven meiden in den meisten Fällen das «offene Feld» unterspülter Steine.
Eruciforme Larven | Campodeïde Larven | |
---|---|---|
Kopfstellung | nach unten gerichtet; Kopfachse bildet mit Körperachse einen rechten Winkel | nach vorn gerichtet; Kopfachse bildet etwa die Fortsetzung der Körperachse |
Mundwerkzeuge | dick, meisselförmig, oft asymmetrisch | messerförmig, spitz |
Nahrung | ausschliesslich Pflanzenfresser, nagen Blätter, Stengel und Rinden ab | einige sind Räuber, andere benagen die Oberflächen von Steinen und Fangnetzen |
Lebensweise | bauen immer Köcher, je nach Art und Biotop aus verschiedenem Material; fixieren sich darin mit Stemmzapfen auf dem Rücken des 1. Hinterleibsringes und mit dem Hakenpaar am Hinterleibsende | sind meist nackt; einige verfertigen Wohnungen von besonderen Konstruktion; einige spinnen Fangnetze |
Verpuppung | unter Wasser in wenig abgeänderten Larvenköchern | in eigens gebauten Puppenköchern, oft noch in Kokon |
Beispiele:
Bau und Lebensweise der raupenförmigen Köcherfliegenlarven
Alle raupenförmigen Köcherfliegenlarven besitzen einen Köcher, den sie immer herumtragen und nie freiwillig verlassen. Er schützt den weichen, biegsamen, häufig weissen Hinterleib. Bei Gefahr ziehen die Larven auch die nur teilweise chitinisierten Brustabschnitte und den Kopf in das Gehäuse hinein. Auf dem Rücken des ersten Hinterleibssegmentes befinden sich bei vielen Arten ein- und ausziehbare Zäpfchen. Damit halten sich die Larven im Köcher fest; sie bewirken auch, dass zwischen Tier und Köcherwand ein freier Raum entsteht, durch welchen das Wasser zirkulieren kann.
Nach der ersten Häutung trägt der Hinterleib silberweise, fadenförmige Tracheenkiemen, die bei einigen Arten einen dichten Wald bilden. Damit die Kiemen immer genügend Sauerstoff aufnehmen können, vollführt die Larve mit dem Abdomen schwingende Auf- und Abwärtsbewegungen, die das Wasser ein- und austreiben. Die Anzahl der Schwingungen hängt von der Temperatur des Wassers und seinem Sauerstoffgehalt ab. Bei tiefen Temperaturen und hohem Sauerstoffgehalt können die Bewegungen gänzlich aussetzen.
Am Hinterleibsende befinden sich zwei konische, kurze Anhänge, die sogenannten Nachschieber. Sie tragen je einen kurzen, aber starken Haken. Damit können sich die Larven zusätzlich im Köcher festhalten. Wenn man versucht, die Tiere aus dem Köcher herauszuziehen, spürt man einen ausserordentlich starken Widerstand.
Die allermeisten Köcherfliegenlarven besitzen keine wirklichen Schreitbeine. Die Extremitäten sind in erster Linie Anklammerungsorgane. Auf diese Weise wirkt vornehmlich das erste, stärkste Beinpaar. Wenn die Tiere ihren Standort wechseln wollen, ziehen sie sich mit den Beinen einfach vorwärts. Neben der Anklammerung und Fortbewegung dienen die Extremitäten dem Erfassen der Nahrung und der Bauteile für den Köcher und dem Führen des Spinnfadens.
Köcherbau der raupenförmigen Larven
Die Grundlage aller Köcher ist eine an beiden Enden offene Seidenröhre. Die Spinnflüssigkeit entsteht in einer langen, paarigen Spinndrüse und dringt durch eine Öffnung in der Unterlippe ins Wasser, wo sie zu einem elastischen Faden erstarrt und mit den Mundwerkzeugen und den Vorderbeinen verwoben wird.
Bei den Larven mehrerer Arten liegen zusätzliche Drüsen in den Schenkeln aller oder einzelner Beinpaare, die an der Basis der Beinkrallen münden. Die Bedeutung dieses Sekretes ist aber noch nicht restlos geklärt; es kann zum Befestigen des Hauptfadens am Substrat dienen.
Köcherfliegenlarve Neuroclipsis bimacualata
Die Gehäuse der jüngsten Larven bestehen meist nur aus Spinnfäden und aus Gallerte des Eigeleges. Später beginnt die Larve den Seidenköcher in der für ihre Art typischen Weise aussen mit Fremdmaterial zu verstärken. In dem Masse wie die Larve wächst, muss sie den Köcher vergrössern. Sie baut immer am Vorderende weiter. Fast alle Larven verbringen ihr ganzes Leben in ein und demselben Gehäuse, häuten sich darin und wachsen mit jeder der 5-6 Häutungen. Vielfach lösen sich die hinteren, nicht mehr bewohnten Teile der Röhre im Laufe der Zeit ab. Bleiben sie erhalten, so entstehen konische Röhrenformen, die in der Regel elegant gebogen sind. Die Larve kann sich im Köcher umdrehen, was ihr ermöglicht, das Hinterende mit einem Gespinst zu verschliessen, wobei sie in der Mitte ein Loch offen lässt, damit das Wasser durchströmen kann.
Verliert die Larve aus irgend einem Grunde ihren Köcher, so stellt sie im Laufe weniger Stunden einen neuen her, der allerdings kaum mit dem regelmässigen Bau eines allmählich entstandenen Gehäuses vergleichbar ist. Die «Pfuscharbeit» wird dann mit der Zeit wieder zu einer schöneren und regelmässigeren Röhre umgestaltet.
Larven, die in stehenden oder sehr langsam fliessenden Gewässern leben, bauen ihre Köcher meistens aus relativ leichtem Pflanzenmaterial, die Bewohner von Bächen mit stärkerer Strömung aber aus verhältnismässig schweren Baustoffen wie Steinchen und Sand. Zwar bevorzugt jede Art meist ganz bestimmte Baustoffe, aber diese stehen nicht zu jeder Jahreszeit und auch nicht an jedem Aufenthaltsort zur Verfügung. Zudem wechseln einige Arten je nach Alter auch den «Geschmack».
Variationen des Köcherbaumateriales bei Stenophylax nigricornis
- Erstes Larvenstadium: reines Steingehäuse von der Oberseite; Vergrösserung 8-fach.
- Drittes Larvenstadium: Vorn ist eine Blattstück angebracht worden; von der Oberseite; Vergösserung 3-fach
- Sowohl an der Ober- als auch an der Unterseite ist je ein Blattstück angebracht worden; von der Unterseite; Vergrösserung 3-fach
- Fünftes Larvenstadium: Köcher besteht nur aus Blattstücken; Vergr. 2,3-fach
- Übergangsstadium zwischen Blattköcher und Steinköcher; Vergr. 2,3-fach
- Nur aus Steinchen aufgebaut; Vergr. 2,3fach (nach Anker Nielsen 1942)
Aufgrund des Köchermaterials kann man gewöhnlich nur auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie schliessen. Artspezifisch ist aber meistens der Baustil, d.h. die Art, wie die Baustoffe angeordnet werden. Larven, die das Material quer anordnen, werden dies nie in der Längsrichtung tun.
Anpassungen des Verhaltens und des Köcherbaues an Fliessgewässer
Alle köchertragenden Formen verändern ihren Standort nur bei vorübergehend geringen Fliessgeschwindigkeiten. Die Nahrung dieser Arten besteht hautsächlich aus Algen, die auf den Steinen wachsen und aus dem Material, das die Strömung mit sich führt. Es gilt also nur, die Nahrung zu packen, allerdings ohne dabei den Halt zu verlieren.
Anpassungen des Köcherbaues an die Wirkungen der Fliessgewässer
- Sand und Steine geben dem Köcher ein grösseres Gewicht als Pflanzenteile
- Konische, gebogene Röhrchen lassen sich kaum rollen
- Larven mit zylindrisch gebauten Köchern hängen in der Regel vertikal an den Kanten überspülter Steine, mit den kräftigen Krallen in den Algenteppich verkrallt. Sie trotzen der Strömung zudem mit der kurzen Querachse.
- Durch einseitige Verlängerung des Vorderrandes entsteht ein haubenförmiger Teil, der die Köcheröffnung auf die Unterlage drückt.
- Vordere Köcherränder können so beschaffen sein, dass sie dicht auf der Unterlage liegen. Zieht die Larve den Kopf zurück, so entsteht zwischen ihm und dem Stein ein Unterdruck, der den Köcher fester an den Stein bindet.
- Mit dem Einbau vorstehender Teile entstehen Bremsapparate.
- Grosse, seitliche Ballaststeine vergrössern das Gewicht erheblich und machen den Köcher zudem platten- oder scheibenförmig.
- Die Scheibenform wird auch durch den spiraligen Bau des Köchers oder durch den Bau einer ausladenden Bodenplatte aus Sandkörnern erreicht.
- Durch den Bau eines Tunnels mit etwa halbkreisförmigem Querschnitt direkt auf den Stein bleibt der Köcher im Bereich der Grenzschicht mit den ihr eigenen kleinen Fliessgeschwindigkeiten.
- Stenophylax sp.: grosses Gewicht durch relativ grosse Steine
- Sericostoma sp.: gebogene Röhrchen rollen schlecht
- Silo sp.: Ballaststeine vergrössern das Gewicht erheblich
- Heliopsyche sp.: Scheibenform durch spiraligen Körper
- Molanna sp.: Scheibenform durch Bodenplatte
Bau und Lebensweise der campodeïden Köcherfliegenlarven
Sie leben als nackte Raubtiere, die hinter ihren gesponnenen Netzen auf angeschwemmte Algen und andere Kleinlebewesen warten oder frei umherstreifen, oder sie verfertigen seidene Gänge und Röhren zwischen Algen und in Höhlungen, in denen sie dann ein äusserst stationäres Leben führen.
Die Augen liegen nahe am Vorderrand des gestreckten Kopfes. Das erste Brustsegment trägt einen Chitinpanzer. Bei Arten, die in schnell fliessenden Bächen leben, ist die kräftige Muskulatur durch eine starke Chitinisierung aller drei Brustsegmente gestützt. Das gilt z.B. für Hydropsyche. Die Beine eignen sich zum Kriechen, Klammern und Klettern und sind mit Borstenbüscheln ausgerüstet, mit denen die Larven ihre Netze rein halten.
Der Hinterleib ist lang, ausserordentlich biegsam und oft hinter der Mitte nach unten gebogen. Seine Segmente sind deutlich voneinander abgesetzt. Die Stemmzapfen auf dem ersten Hinterleibsabschnitt fehlen; sie sind überflüssig, weil die Larven ja nicht in Köchern leben.
Abgesehen von den chitinisierten Teilen ist die Haut ausserordentlich dünn und eignet sich vorzüglich für die Atmung. Bei vielen Arten fehlen die Tracheenkiemen, nicht aber bei den Hydropsychiden mit ihrer dicken Haut: Bei ihnen bedecken die Tracheenkiemen mit ihren dichten, silberglänzenden Fransen die ganze Unterseite des Hinterleibes.
Die Atmung kann durch Blutkiemen unterstützt werden, was wir vor allem bei den campodeïden Larven antreffen. Die mit feinsten Blutgefässen durchzogenen Kiemen sind aus dem Enddarm ausstülpbar und äusserst dünnhäutig. Auch eingezogen können sie der Atmung dienen, wenn durch den Enddarm Wasser ein- und ausgepumpt wird.
Köcherfliegenlarven mit Fangnetzen
Die fangnetzspinnenden Larven der schnell fliessenden Gewässer gehören vorwiegend in die Familie der Hydropsychidae. Wir finden die bis 2 cm langen Tiere fast immer nur auf der Unterseite überspülter Steine, wo sie regellose Wohngespinste anfertigen, in die Fangnetze eingebaut sein können.
Wir entdecken die Netze nur, wenn wir die Steine sehr sorgfältig umdrehen. Sie haben eine Fläche von 1-2 cm2, weisen regelmässige Maschen auf und bestehen aus starken, weissen Fäden. Sie stehen senkrecht zur Fliessrichtung und fangen kleine Lebewesen tierischer und pflanzlicher Natur auf. Meistens findet man die Hydropsyche-Larve im daneben liegenden Wohngespinst, von wo aus sie immer wieder das Netz absucht und hängengebliebene Nahrung auffrisst.
Die Nachschieber dieser Larven sind ausserordentlich kräftig und mit starken, hakenförmigen Klauen versehen, mit denen sie sich anklammern können. Sie tragen je ein Büschel steifer, dunkler Haare, mit denen sie das Fangnetz reinfegen. Auch die Bürste auf den Vorderbeinen könnte dieser Aufgabe dienen.
Hydropsyche sp.
Im übrigen beachten wir die kräftigen Beine, die stark chitinisierten Brustabschnitte und die reich verzweigten Büschelkiemen auf der Körperunterseite. Der Körperbau und das Verhalten der Hydropsychiden ist sehr gut an die reissenden Gewässer angepasst.
Frei umherschweifende räuberische Köcherfliegenlarven
Zur Familie der Rhycophilidae gehören die primitivsten Formen sämtlicher Köcherfliegen. Ihre bunten Larven sind als einzige wirklich frei herumkriechende Räuber, die keine Köcher besitzen. Ihre Haut ist ungewöhnlich dick und das erste Brustsegment zudem chitinisiert. Die starken Beine und Nachschieber sind dank der kräftigen Klauen hervorragende Klammerorgane. Der lange und schmale Kopf mit den ganz vorn liegenden Augen kann in kleine Spalten hineingesteckt werden, um Beutetiere aufzuspüren.
Diesen Larven steht noch eine weitere Haftvorrichtung zur Verfügung. Sie ziehen wie viele Spinnen überall auf ihrem Wege einen Sicherheitsfaden hinter sich her, den sie von Zeit zu Zeit auf der Steinoberfläche ankleben. Wenn sie sich allein am Faden festhalten, treibt sie die Strömung ins freie Wasser hinaus, wo sie dann schlängelnd hängen bleiben, wie man das auch bei Kriebelmückenlarven beobachten kann.
Puppenstadium und Verwandlung zum Fluginsekt
Nach rund einem Jahr verpuppen sich die Köcherfliegenlarven. Der Zeitpunkt liegt fast immer im Frühjahr oder Sommer. Sie suchen dazu geeignete Orte unter Steinen, Wurzeln usw. und bilden dort vielfach ganze Gesellschaften.
Die köchertragenden Larven verschliessen vor der Verpuppung die Vorder- und Hinteröffnung ihres Köchers bis auf kleine Durchlässe für das Atemwasser mit Gespinstdeckeln und kleben das Gehäuse fest an die Unterlage.
Auch die köcherlosen Larven bauen Puppengehäuse. So scharren Hydropsyche und Rhyacophila kleine Steinchen zusammen und bauen damit meist auf der Unterseite von Steinen kleine Bunker. Diese können so dicht nebeneinander liegen, dass man meinen könnte, die Unterlage sei mit feinstem Kies überzogen.
Viele dieser campodëiden Larven spinnen im Puppengehäuse einen Kokon, der sehr fein sein kann und mit Löchern für den Wasserdurchlass versehen ist oder bei Bewohnern des stark fliessenden Wassers eher derb und ringsum geschlossen ist.
Die Puppen gleichen schon stark dem vollentwickelten Insekt, haben freie Beine, Fühler und Flügelscheiden, besitzen aber auch noch gewisse Larven-, sowie spezielle Puppenorgane. Viele Arten atmen auch im Puppenstadium mit Tracheenkiemen. Es gibt sogar solche, die erst als Puppe welche tragen. Andererseits fehlen sie bei den Rhyacophila-Arten. Um den Frischwasserstrom für die Atmung zu erhalten, führen die Puppen fast ununterbrochen Atembewegungen aus, indem sie mit dem Hinterleib rhythmisch auf und ab schlagen.
Spezielle Puppenorgane sind die Putzapparate. Die Oberlippe oder die Unterkiefer sind mit langen Haaren ausgerüstet, und am Hinterende befinden sich entweder lange, dünne Anhänge oder lange feine Härchen. Mir diesen Einrichtungen putzen die Puppen die Siebmembranen der Köcher, damit immer Wasser durch die Röhre fliessen kann.
Weitere Puppenorgane sind die scherenartigen Mandibeln, die wohl in erster Linie dazu dienen, nach der zwei- bis vierwöchigen Puppenruhe die Siebmembran aufzuschneiden.
Wenn sich die sehr bewegliche Puppe aus dem Köcher herausgearbeitet hat, kriecht sie entweder auf einen aus dem Wasser ragenden Teil eines Steines oder einer Pflanze oder schwimmt mit Hilfe der stark verbreiterten und behaarten mittleren Beine an Land. Erst dort reisst die Puppenhaut auf, das Insekt schlüpft aus, entfaltet seine Flügel und fliegt fast unmittelbar danach ab, selbst dann, wenn die Flügel noch nicht fertig ausgehärtet sind. Bei anderen Arten schwimmt die Puppe nur an die Wasseroberfläche und streckt dort den Brustrücken etwas heraus. Dieser reisst plötzlich auf, der Vollkerf drängt hinaus, springt mit einem Satz auf die Wasseroberfläche oder fliegt gleich weg.
Bau und Lebensweise der Imagines
Die kleineren Arten haben die Grösse einer Kleidermotte, die grössten ungefähr die eines Zitronenfalters. Sie legen ihre Flügel in der Ruhe immer steil dachförmig über den Hinterleib, ähnlich wie das bei den Nachtfaltern viele Spinner und Eulen tun. Die Flügel tragen gewöhnlich Chitinhaare, die bei manchen Arten schuppenförmig verbreitert sein können.
Die Tiere tragen unscheinbare Farben wie grau, schwarz und braun, selten rötliche oder gelbliche Muster. Einige Arten sind schön gezeichnet. Der kleine, meist behaarte Kopf trägt die fadendünnen, vielgliedrigen, häufig mehr als flügellangen Fühler, die in der Ruhelage in einem flachen Bogen nach vorn gestreckt werden. Die Felderaugen sind gewöhnlich klein. Nur die Männchen, welche in der Dämmerung Paarungstänze aufführen und in Schwärmen leben, besitzen so grosse Augen, dass sie sich an der Mittellinie fast berühren. Die Mundwerkzeuge sind bei unseren Arten stark reduziert. Die Imagines können aber dennoch Wasser trinken oder auf Blüten mit offenen Honiggrübchen Nektar lecken.
Die schlanken, langen Beine sind nicht sehr leistungsfähig. Eine Ausnahme machen die Hydropsychiden, die sehr gut laufen können. Bei Weibchen, die ihre Eier im oder unter Wasser ablegen, sind Schienen und Fussglieder oft stark verbreitert.
Tagsüber verstecken sich die Imagines gewöhnlich in allerlei Schlupfwinkeln, nicht weit von den Wohngewässern ihrer Larven entfernt. In der Dämmerung flattern sie dann unbeholfen umher. Trotzdem kann es tanzende Schwärme von Köcherfliegen geben. Es ist wohl bei den meisten Arten die Regel, dass das Weibchen im Flug ergriffen, aber in sitzender Stellung begattet wird, wobei die Tiere in einer Linie sitzen und entgegengesetzte Richtungen sehen.
Die einzelnen Tiere leben meist nur wenige Tage. Die Flugzeit vieler unserer einheimischen Arten fällt in die Zeit zwischen Anfang Juni und Ende August und dauert gewöhnlich knapp
einen Monat.
Eiablage
In den meisten Fällen beginnt das Weibchen gleich nach der Paarung mit der Eiablage. Die Eizahl schwankt je nach Art zwischen knapp 20 und fast 1000. In vielen Fällen sind sie zu Laichballen vereinigt und mit Gallerte umhüllt.
Die Art der Eiablage ist sehr unterschiedlich:
- Bestimmte Weibchen tragen die Eikugeln wie die Eintagsfliegen und flatternin geringer Höhe über dem Wasserspiegel. Bei Gelegenheit lassen sie die Eier einfach fallen.
Beispiel: Sericostoma. - Zahlreiche Arten kleben die Laichballen an Gräser, Blätter und Äste, die sich über die Wasserfläche neigen. Beispiel: Potamophylax.
- Die meisten Köcherfliegen mit campodëiden Larven begeben sich unter den Wasserspiegel und kleben Ei um Ei in unregelmässigen Kuchen an die Steine. Diese Eier haben keine Gallertschicht. Die Weibchen sind bei ihrer Arbeit unter Wasser ganz von Luft umhüllt, auch unter den Flügeln.
- Die Weibchen von Rhyacophila legen ihre Eier einzeln in Ritzen und Löcher von unter Wasser liegenden Steinen und Holzstückchen.
Häufig quillt die Gallerte der Eikugeln, -kuchen, -ringe, -bänder oder -schnüre beträchtlich auf. Eikugeln können dann die Grösse einer Kirsche erreichen. In den Fliessgewässern findet man auf Steinen häufig bräunliche Bänder von etwa 5 mm Breite, die selten richtig gedeutet werden.
Der ganze Entwicklungszyklus dauert ein Jahr, wobei der grösste Teil auf die Entwicklung der Larven fällt. Diese häuten sich 5-6 mal. Die meisten Arten überwintern in einem fortgeschrittenen Larvenstadium, wenige als Ei (Anabolia-Arten) oder als Puppe.
Die Bestimmung der Köcherfliegen-Imagines ist nicht einfach. Noch schwieriger ist es in vielen Fällen, die Larven genau zuzuordnen. Die Bestimmung nach den Köchern ist nicht immer zuverlässig, weil viele Arten je nach Angebot verschiedene Materialien verwenden.
Gesammelte Arten im Brüeltobelbach E der Kyburgbrücke
Steinfliegenlarven
- Perla cf. maxima 1 Expl.; sehr gross, Seitenkiemen, Afterkiemen
- Dinocras cephalotes vereinzelt; gross, lebhaft bunt, abgeplattet
- Nemoura sp. vereinzelt; 4 abgesetzte Flügelscheiden
- Protonemura sp. wenig; 6 wurstförmige Tracheenkiemen am Hals
- Leuctra sp.
- Ecdyonurus sp. massenhaft, in verschiedenen Grössen
- Epeorus sp. wenig; nur 2 Schwanzborsten
- Rithrogena sp. wenig; 1 Paar sehr grosse Bauchkiemen
- Baëtis sp. häufig; buckelig, dunkle Flügelscheiden, kl.Kopf
- Ephemera vulgata vereinzelt; im Ufersand eingegraben
- Habrophlebia sp. wenig; stark verzweigte Fadenkiemen
- Habroleptoides sp. wenig; nur einmal verzweigte Fadenkiemen
Köcherfliegenlarven
- Sericostoma sp. wenig
- Stenophylax sp. zahlreich; Köcher aus mittelgrossen Steinchen
- Rhyacophila sp. Art mit Kiemen, auch als Puppe in Steinbunkern
- Rhyacophila sp. viel; Art ohne Kiemen, ohne Köcher
- Plectrocnemia sp. wenig; ohne Kiemen, ohne Köcher
- Hydropsyche sp. sehr viele; mit Fangnetzen
- NN Köcher aus Buchenspelzen; im Frühjahr oft viel
Andere Insektenlarven
- Stelzmücke Dicranota sp. sehr wenig
- Schnake Tipula sp. sehr wenig
- Ibisfliege Atheris ibis sehr wenig
- Kriebelmücke Simulium sp. in der Töss massenhaft
- Tastermücke Dixa sp. zahlreich
- Zuckmücken Chironomus sp. diverse Arten, auch in Röhrchen auf Steinen
- Hakenkäfer Elmis sp. wenig; verschiedene Arten; Larven und Käfer
- Bachhaft Osmylus chrysops 1 Larve
- Stosswasserläufer Velia sp. eher selten; in strömungsarmen Buchten
- Zweigestreifte Quelljungfer 1 Larve
- Springschwanz mit Sprunggabel auf dem Wasser hüpfend
Übrige Tiere
- Winkelköpfiger Strudelwurm einzelne
- Alpen-Strudelwurm sehr selten
- Vierkantwurm vereinzelt; die 4 Kanten sind schlecht sichtbar
- Saitenwurm (Wasserkalb) nur 1 Exemplar
- Flohkrebs Gammarus pulex vereinzelt
- Wassermilbe 1 rotes Exemplar
- Feuersalamanderlarve nur im Mai-Juli in strömungsarmen Buchten
- Grasfrosch am Ufer, ausserhalb des Wassers
- Groppe wenig; beim Einfluss in die Töss
- Forelle 1 Exemplar
Literaturverzeichnis
- Engelhardt; Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher; Kosmos, 11. Aufl., 1985
- Gleiss; Die Eintagsfliegen; Neue Brehmbücherei Heft 136; Kosmos, 1954
- Illies; Die Lebensgemeinschaft des Bergbaches; Neue Brehmbücherei Heft 289; Kosmos, 1961
- Illies; Steinfliegen oder Plecoptera, Tierwelt Deutschlands 43.Teil; Fischer Jena, 1955
- Jacobs, Seidel; Systematische Zoologie, Insekten; UTB Fischer Stuttgart, 1975
- Jacobs, Renner; Taschenbuch zur Biologie der Insekten; gft Fischer, 1974
- Sauer; Tiere in Bach und Weiher; Hallwag Taschenbuch 37, 1979
- Walder; Gewässerbiologie und Gewässerschutz; Eidg. Depart. des Innern, 1970
- Wesenberg; Biologie der Süsswassertiere, Wirbellose Tiere; Springer, 1939; Cramer Reprint, 1967
- Wesenberg; Biologie der Süsswasserinsekten; Springer, 1943, Cramer Reprint, 1980
- Wildermuth; Lehrweg Kemptnertobel; Druckerei Wetzikon, 1976
- Wildermuth; Lebensraum Wasser; Schweiz. Bund für Naturschutz, 1986
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