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Fundorte der Bachlebewesen im Raume Winterthur

Unsere Bachtobel gehören zu den wenigen Landschaften, die sich an vielen Orten noch in einem beinahe ursprünglichen und durch den Menschen nur wenig gestörten Zustand erhalten haben. Viele Kinder und Erwachsene schätzen sie als abwechslungsreiche Tummel- und reizvolle Wandergebiete. Sie dienen aber nicht nur als wertvolle Erholungsräume, sondern eignen sich ganz besonders auch für einen naturnahen Anschauungsunterricht. Sie haben in geologischer und biologischer Hinsicht sehr viel zu bieten und ermöglichen zahlreiche fächerübergreifende Betrachtungen. Die reiche Kleintierwelt ist zudem hervorragend geeignet für Beobachtungen unter dem Binokular.

Der Lebensraum Bachtobel ist auch nicht so empfindlich wie die Biotope einer Wiese, eines stehenden Kleingewässers oder gar eines Riedes. Unter kundiger Anleitung kann man ohne naturschützerische Bedenken suchen, sammeln und beobachten.

Tobelbäche sind Lebensräume für eine Vielzahl von Tierarten

Jeder Naturbach besteht dank seinem verschiedenartigen Untergrund aus Kies, Sand oder Schlamm, den verschiedenen Wassertiefen, seiner stark wechselnden Ufergestalt, den variierenden Strömungsgeschwindigkeiten, Temperatur- und Sauerstoffverhältnissen aus einer grossen Anzahl stark voneinander abweichenden Kleinlebensräumen. Mit dem Wechsel dieser Nischen ändert sich im Naturbach auch die Zusammensetzung der Tierwelt.

Viele Bachbewohner sind ausgesprochene Lebensraumspezialisten, die nur unter ganz bestimmten Bedingungen gedeihen können. Eine wenige Meter lange Bachstrecke kann mehr als 500 verschiedene Tierarten enthalten, d.h. wesentlich mehr, als ein grosser Zoo zeigen kann. Die allermeisten von ihnen sind allerdings nur einige Millimeter bis wenige Zentimeter gross und werden darum vom Menschen kaum je beachtet. Stein-, Eintags- und Köcherfliegen, Mücken und wenige Libellenarten verbringen ihre Larvenstadien im Bach. Dazu kommen Kleinkrebse, Würmer, Planarien, Egel, Milben und Käfer.

Bekannter sind die grösseren Arten, unter den Fischen die Forelle und die Groppe, unter den Amphibien der für die Entwicklung seiner Larven auf saubere Bäche angewiesene Feuersalamander, die meist überraschend durch den spritzenden Vorhang eines Wasserfalles hervorfliegende Wasseramsel, im Ufergehölz neben einer vielfälten Vogelwelt auch Igel, Spitzmäuse, Wiesel und Rötelmaus.

Die noch vorhandenen Naturbäche müssen erhalten bleiben

Zu den Naturbächen zählen wir neben den Waldbächen auch die unkorrigierten Bäche der offenen Landschaft. Beide haben sie dank der verschiedenartigen ökologischen Nischen innerhalb und ausserhalb des Bachbettes eine grosse Artenvielfalt. Diese fehlt den korrigierten und begradigten Bächen weitgehend. Das macht sie biologisch nahezu wertlos, ganz abgesehen davon, dass sie auch ästhetisch kaum je zu befriedigen vermögen.

Auf der Wildschen Karte aus dem Jahr 1850 war die Landschaft noch durch zahlreiche, wenn meist auch nur kleine Wiesen- und Waldbäche gegliedert. Die Ufergehölze brachten zudem viel Abwechslung ins offene Land. Auf der Neuen Landeskarte der letzten Jahre finden wir viel weniger Bäche, und die noch vorhandenen sind fast alle korrigiert und begradigt. Die natürliche Ufervegetation fehlt zudem fast überall. Die Landschaft ist «ausgeräumt» und verarmt.

Was noch vorhanden ist, gilt es vordringlich zu erhalten, und zwar nicht nur aus naturschützerischen Gründen. Die Naturbäche bewahren die Landschaft auch vor einer weiteren Monotonisierung und sind als Erholungslandschaft von grossem Wert. Eine Sonderstellung nehmen die Waldbäche ein. Aus der Sicht des Försters muss man unterscheiden zwischen den mit Wanderwegen gut erschlossenen Bachtobeln der Naherholungsgebiete und den nur schwer zugänglichen Waldtobeln. In beiden Fällen tritt die wirtschaftliche Nutzung des Waldes schon von der Topographie her in den Hintergrund. Während die Spaziergänger-Tobel noch einer gewissen Pflege bedürfen, sollte man die abgelegenen Tobel wenn immer möglich bis zur Verwilderung sich selbst überlassen.

Zur Geologie der Bachtobel

In weiten Teilen des Schweizerischen Mittellandes bildet die Molasse den Felsuntergrund. Sandstein- und Nagelfluhbänke wechseln ab mit grauen und gelblichen Mergelschichten. Die Gesteine wurden vor 10 bis 15 Millionen Jahren nördlich der Alpen anfangs in einem Meeresgolf abgelagert. Als das seichte Meer verlandet war, schütteten die alpinen Flüsse ihre Materialien in grossen Schwemmfächern aus. So bedeckte der Schuttfächer des Ur-Rheines das ganze heutige Gebiet des Töss-Toggenburg-Berglandes und reichte bis an den Bodensee. Die Mergelschichten stammen von Schlammfluten grosser Überschwemmungen, die Sandsteinbänke und Nagelfluhen sind verdichtete Geschiebemassen aus Sand und Kies, die in den breiten Deltarinnen abgelagert worden sind. Möglicherweise sind die heutigen Flussläufe der Töss, Thur und Sitter durch solche Schwemmfächerrinnen vorgebildet worden.

Fast überall wurde die Molasse durch eine Decke von eiszeitlichen Ablagerungen, Moränen mit erratischen Blöcken und Schotter überdeckt. In vielen Fällen hat die Lage des Eisrandes und der Verlauf der Seitenmoränen den Lauf der Bäche massgebend mitbestimmt. Gleich nach dem Rückzug des Eises vor etwa 10 000 Jahren, als noch keine geschlossene Pflanzendecke vorlag, schnitten sich die Bäche sehr rasch und kräftig in den Untergrund ein. An vielen Orten gruben sie sich durch die ganze Moränendecke hindurch und sogar tief in die Molassefelsen ein.

Dort, wo ein Tobel in die Molassefelsen eingeschnitten ist, entstehen durch den Wechsel von harten und weichen Schichten kleine und grosse Wasserfälle. Sie sind stets gleich gebaut. Oben liegt eine harte Gesteinsschicht, meist eine Sandstein- oder Nagelfluhbank und unten eine weiche, leicht verwitternde, in der Regel Mergel. Das fliessende Wasser spült den weichen Mergel aus, und mit der Zeit ragt die Sandsteinbank so weit vor, dass sie abbricht. Der Vorgang wiederholt sich immer wieder, und als Folge davon wandert der Wasserfall im Laufe der Jahrhunderte bachaufwärts.

Auffällig sind in vielen Bachtobeln die grossen Findlinge. Diese erratischen Blöcke blieben nach dem Rückzug der Gletscher zunächst hoch über den heutigen Standorten liegen. Sie wurden dann von den Bächen bearbeitet, aber nicht etwa weggetragen – dazu waren sie viel zu schwer – sondern immer wieder unterspült und sanken und rutschten so stets mit dem sich immer tiefer einfressenden Bachtobel nach unten.

Der Ur-Rhein in der Zeit der Oberen Süsswassermolasse (nach F.Hofmann)

Vor gut 10 Millionen Jahren bildete der Ur-Rhein über weiten Teilen der Nordostschweiz einen grossen Schuttfächer mit Mergelschichten, Sandsteinbänken und Nagelfluhen. Die Gesamtheit dieser Molasseschichten ist stellenweise weit über 1000 m tief. Unsere heutigen Flüsse folgen teilweise früheren Deltarinnen.

Würmvergletscherung des Kantons Zürich und seiner Nachbargebiete

MMaximalstand der VergletscherungSSchlieren-Stadium
ZZürich-StadiumHKHurden-Konstanzer-Stadium
Würmvergletscherung des Kantons Zürich und seiner Nachbargebiete (Aus: Mitteilungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Winterhur 1970)

Während der letzten Eiszeit lagen bis vor 10 000 Jahren weite Teile der Nordostschweiz unter einer dicken Eisdecke. Man beachte aber das Tösstal: Es war praktisch auf der ganzen Länge eisfrei. In diesem Bereich entstand nicht zuletzt darum eine ganze Reihe sehr schöner Tobelbäche.

Geologische Objekte in einem Bachtobel

Am geologischen Aufbau der meisten Tobel im Mittelland sind Gesteine aus Flussablagerungen der Molassezeit und Gletscherablagerungen aus der letzten Eiszeit beteiligt. Das Gesteinsmaterial der stellenweise 2500 m mächtigen Molasseschichten stammt aus den Alpen und wurde vor rund 25 Millionen Jahren durch den Ur-Rhein, die Ur-Reuss und die Ur-Aare abgelagert. Schlammiges Geschiebematerial verfestigte sich zu Mergel, sandiges zu Sandstein und grobes Geröll zu Nagelfluh.

Die Ablagerungen der Eiszeit überdecken die Molasse, soweit sie durch die nacheiszeitlichen Bäche nicht wieder abgetragen worden sind. Die Moränen oder Gletschergeschiebe und die Schotterablagerungen der Schmelzwasserflüsse stammen aus der letzten Eiszeit, der Würmeiszeit, die vor 90 000 Jahren begann und vor 10 000 Jahren ihren Abschluss fand.

Tobelquerschnitte sind v-förmig

Unsere Bachtobel sind etwa 12 000 Jahre alt. Die v-förmigen Einschnitte entstanden nach dem Rückzug der letzten Gletscher durch die ständig nagende Arbeit des fliessenden Wassers. Der Geologe nennt diese Zerstörungsarbeit von Bächen und Flüssen fluviatile Erosion. Bei normaler Wasserführung ist die Erosion kaum erkennbar. Hochwasser können hingegen das ganze Bachbett in Bewegung versetzen, wobei sich der Bach dann allemal ein Stück tiefer in den Untergrund einfrisst. Wenn in steilen Bachabschnitten grosse Wassermengen durchpreschen, ist die Abtragungskraft besonders gross.

Die reissenden Wassermassen eines Baches unterspülen ferner grosse Teile der Ufer. Immer wieder geraten die Hänge in Bewegung, rutschen ab und füllen an einzelnen Stellen das Bachbett auf. Das nächste Hochwasser schwemmt das Material weg, und der Zyklus kann von neuem beginnen. Der v-förmige Querschnitt bleibt erhalten. Er wird im Laufe der Zeit sogar immer ausgeprägter. Solange ein genügend starkes Gefälle vorhanden ist, schreitet die Erosion andauernd rückwärts, das Tobel wird also nicht nur tiefer, sondern auch länger.

Wälder verzögern die Erosion sehr stark. Da sie in den steilen Bereichen der Bachtobel selten ausgiebig genutzt werden, zeigen sie oft eine grosse botanische Vielfalt und sind damit besonders wertvoll.

An vielen Orten lässt man dem Tobelbach nicht freie Hand, sondern unterbricht sein steiles Gefälle mit Schwellen und schützt die rutschgefährdeten Stellen mit seitlichen Verbauungen. In vielen Fällen tat man auch zuviel des «Guten».

Quellen

Das Regenwasser sickert langsam durch die porösen Sandsteinschichten hinunter und sammelt sich über den tonig-lehmigen, im nassen Zustand undurchlässigen Mergelschichten. Sind die Schichten geneigt, so fliesst das Wasser zu den tiefsten Stellen und tritt dann in Quellen wieder an die Erdoberfläche. Diese entspringen aus der Grenzzone, wo Sandsteinbänke auf Mergelschichten liegen. Überall dort, wo sich die Flüsse und Bäche tief in die Molasse eingegraben haben, treten diese Grenzzonen oft in den Abhängen zutage. Es sind dann auf etwa gleicher Höhe meist mehrere Quellen auszumachen. Ihre Verbindungslinie nennt man Quellhorizont.

Sickerquellen dringen aus kaum sichtbaren Öffnungen hervor, Sprudelquellen zeigen gut ausgebildete Löcher. Unterhalb der Quellen entsteht an vielen Orten Tuffstein.

Schematischer Schnitt durch die Grenzzone zwischen Sandstein und Mergel

Sandstein ist porös, nimmt viel Wasser auf und lässt es durchsickern. Mergel besteht aus tonig-lehmigem, praktisch wasserundurchlässigem Material.

Biologischer Hinweis:
Im Wasser findet man in der Regel gerade unterhalb solcher Quellen nur wenige Tierarten, vielfach aber Bachflohkrebse (Gammarus), die auf einen genügend hohen Sauerstoff- und Kalkgehalt angewiesen sind und den Winkelköpfigen Strudelwurm Dugesia gonocephala, der saubere Fliessgewässer braucht.

Tuffstein

Tuffstein ist leicht und setzt sich aus porösen, oft löcherigen Kalkablagerungen zusammen. Er entsteht in kalkhaltigem Quell- und Bachwasser als gelbbraune Ablagerung und enthält oft Moose, Ästchen, Laubblätter und Schneckenhäuser, die mit der Zeit vermodern und dann Abdrücke hinterlassen.

Alles, was vom stark kalkhaltigen Wasser überflossen wird, überzieht sich im Laufe der Jahre mit einer Kalkkruste. An Abhängen können sich treppenartige Kalktuff-Terrassen bilden. Ihr Alter beträgt oft nur wenige Jahrzehnte. Haben die Ablagerungen eine bestimmte Mächtigkeit, lässt sich daraus Baumaterial gewinnen. So verwendete man beispielsweise für die Türme der Winterthurer Stadtkirche Tuffsteine.

Beispiele von Versteinerungen

Beispiele von Versteinerungen

Die Tuffsteinbildung ist ein chemischer Vorgang, bei dem der Kalk durch das Wasser aus dem Molassegestein herausgelöst wird und dann im Wasser als doppeltkohlensaurer Kalk vorliegt:

CaCO3  +  H2O  +  CO2 = Ca (HCO3)2
CO32-    +  H2O  +  CO2    = 2 HCO3-

CaCO3 löst sich umso mehr, je mehr CO2 das Wasser enthält. Die HCO3-Ionenkonzentration bestimmt die «Carbonathärte» von natürlichem Wasser. Besonders hart ist das Grund- und Quellwasser in kalkreichen Gebieten. In grösseren Seen hingegen ist das Wasser oft relativ weich, weil die Algen und höheren Wasserpflanzen im Sommer bei intensiver Assimilation den im Wasser gelösten HCO3-Ionen CO2 entziehen und damit Kalk ausscheiden können. Dabei läuft die obige Reaktion von rechts nach links ab. CO2 entweicht auch beim Erhitzen des Wassers. Hartes Wasser bildet also beim Erwärmen Kalk, der sich in Pfannen, Heizungen usw. als Kesselstein oder unterhalb von Quellen als Tuffstein niederschlägt.

Am Prallhang zerstört der Bach, am Gleithang lagert er ab

Im unteren Teil haben die Bäche meistens ein schwächeres Gefälle. Die Fliessgeschwindigkeit ist kleiner und bei geringer Wasserführung bleiben die gröberen Geschiebeteile liegen. Oft pendelt der Bach in einer Schlangenlinie hin und her, die man nach einem kleinasiatischen Fluss auch als Mäander bezeichnet.

Auf den flachen Innenseiten der Bachkurven, den Gleithängen, ist die Strömung schwach. Hier bilden sich Sand- und Kiesbänke, die gelegentlich durch niedere Pflanzen, später durch Sträucher und Bäume festgehalten werden.

An den steilen Aussenseiten, den Prallhängen, stösst das Wasser mit starker Strömung gegen das Ufer. Es frisst sich seitlich ein, unterhöhlt die Böschung und bringt immer wieder Teile zum Abbruch. Der darüberliegende Hang rutscht oft nach, und zwar vor allem nach langen Regenfällen. Am ehesten geraten aufgeweichter Mergel und Hangschutt in Bewegung. Verbogene Baumstämme verraten die meist langsam erfolgenden Rutschungen. Wenn sie mit einer ersten schiefgestellt werden, wachsen sie nach der Bildung eines Bogens wieder senkrecht, vorausgesetzt, dass sich der Hang nicht mehr weiter nach unten bewegt. Die Bäume sind dank der immer tiefergreifenden Wurzeln ab und zu auch in der Lage, weitere Rutschungsgefahren zu bannen.

Wasserfälle

Wasserfälle, an vielen Orten auch Giessen genannt, entstehen als Folge der wechselweisen Lagerung harter und weicher Gesteine. Unter der härteren Sandstein- oder Nagelfluhbank, über die der Bach fliesst, wird der leichter verwitternde Mergel oder mergelige Sandstein durch das fallende Wasser und den Tropfenregen aufgeweicht und weggespült. Die harte Schicht darüber wird immer mehr unterhöhlt, bis sie schliesslich so weit überhängt, dass sie bricht und zusammenstürzt. Dieser ganze Vorgang wiederholt sich immer wieder, und so wandert der Wasserfall im Laufe der Jahrhunderte bachaufwärts. Ein weltberühmtes Beispiel dazu liefern die Niagarafälle.

Wassermühlen

Wie ein Gletscherbach unter dem Eis aus dem Fels tiefe Gletschermühlen auszukolken vermag, kann auch ein Tobelbach bei starker Wasserführung mit Hilfe von rotierendem Geröll aus dem Sandstein mehr oder weniger runde Löcher herausschleifen. Besonders schöne Beispiele von Gletschermühlen sehen wir im Gletschergarten von Luzern und auf dem Maloja.

Hinweise für das Suchen, Fangen und Betrachten der Kleintiere eines Tobelbaches

Geeignete Sammelorte und Sammelzeiten

Wir suchen für unsere Sammeltätigkeit einen 2-4 m breiten, ziemlich schnell fliessenden und wenig tiefen Tobelbach im Schatten eines Waldes, wenn immer möglich fernab von menschlichen Siedlungen und intensiv bewirtschafteten Äckern und Wiesen.

Bachtobel-Exkursionen können zu jeder Jahreszeit durchgeführt werden, den die Tiere kennen keine Winterpause. Das grösste Artenspektrum und relativ viele grosse Larven findet man am ehesten in den Monaten März und April. Nach starken Regengüssen oder langen Niederschlagsperioden kann die starke Wasserführung der Bäche die Sammeltätigkeit erheblich erschweren.

Ausrüstung

Stiefel; verschliessbare, helle Plastikgefässe; kleine, verschliessbare, durchsichtige Fläschchen aus Plastik oder Glas (z.B. Reagenzgläser mit Zapfen); Pinsel aus dem Malkasten; feine, spitze Pinzette; Pipette ohne ausgezogenene Spitze; Kaffeesieb aus Metall; kleiner Kescher; Lupe; Bestimmungstafeln; Notizmaterial und eine geeignete Tasche mit starkem Boden.

Fangmethoden

  • Im Wasser liegende, grössere Steine aufheben und umdrehen; mit dem Pinsel, allenfalls mit den Fingern oder mit der Pinzette Tiere ablesen und in die mit Bachwasser gefüllte Sammelgefässe geben. Bestimmte Tiere findet man auch auf der Steinoberseite.

Die grossen Steinfliegenlarven und die köcherlosen Köcherfliegenlarven sind Räuber und müssen einzeln inhaftiert werden.

  • In stillen Wasserzonen den Bachgrund absuchen und die entdeckten Tiere mit dem Kaffeesieb aufschöpfen.
  • In kleinen, überfluteten Sandbänken mit dem Kaffeesieb Sand aufschürfen, diesen am Ufer ausleeren und untersuchen.
  • Netzfang: Wir stellen den Kescher bachabwärts hinter einen Stein, heben diesen ab und fangen die weggeschwemmten Tiere auf.

Die Kleinlebewesen eines Tobelbaches sind empfindliche Tiere

Auch wenn wir die Tiere in kaltem, frischem Wasser halten, überleben die meisten Arten nur einige Stunden. Die Beobachtungen mit Lupen und Mikroskopen müssen unmittelbar nach dem Fangen erfolgen. Nachher setzen wir die Tiere wieder in ihrem Lebensraum aus.

Ausgewählte Kleintiere eines Tobelbaches in einer kleinen Übersicht

Ausgewählte Kleintiere eines Tobelbaches in einer kleinen Übersicht (nach Wildermuth, 1976)

Steinfliegenlarven (Abb. 1-5)
6 Beine mit Doppelkrallen, 2 Fühler, 2 Schwanzfäden, keine Kiemen oder dann nicht an den Seiten des Hinterleibes

  1. Perlodes sp. Bis 30 mm lang; bunt gelb-braun gezeichnet; keine Kiemen; Raubtier
  2. Chloroperla sp. Bis 10 mm; gelblich bis rötlichbraun; Randlinien der Flügelanlagen eiförmig
  3. Nemoura sp. 6-9 mm; dunkelbraun, oft beschmutzt mit Schlamm; Flügelanlagen geschwungen und abstehend; keine Kiemen
  4. Amphinemoura sp. Ähnlich Nemoura, aber mit büschelförmigen Halskiemen
  5. Leuctra sp. 5-8 mm; Körper wurmförmig schlank; Flügelanlagen parallel zum Körper. Nr. 2-5 fressen verfaulende Pflanzen

Eintagfliegenlarven (Abb. 6–10)
Ähnlich Steinfliegenlarven, aber (abgesehen von wenigen Ausnahmen) mit 3 Schwanzfäden; einfache Krallen; paarige Kiemen an der Seite des Hinterleibes

  1. Baëtis sp. 5-9,5 mm; Körper schmal, nicht abgeplattet; Kiemenblättchen einfach, eiförmig
  2. Habroleptoides sp. 8-10 mm; Körper schlank; Kiemen fadenförmig schmal, gabelig verzweigt
  3. Ecdyonurus sp. 8-15 mm; stark abgeplattet, breit und oft lebhaft gezeichnet
  4. Rithrogena sp. 8-12 mm; ähnlich wie Ecdyonurus, jedoch mit schmalerem, stärker abgesetzem Kopf; Brustunterseite mit 2 scheibenartigen Anhängseln
  5. Ephemerella sp. 7-10 mm; Körper schlank und rund; Kiemenblättchen eng anliegend

Köcherfliegenlarven (Abb. 11–15)
Körper raupenförmig, mit 6 Beinen und kurzen Kiemen. Es gibt köcherbauende und köcherlose Arten.

  1. Sericostoma sp. Bis 15 mm; Köcher schlank, leicht gekrümmt, aus feinen Sandkörnchen
  2. Hydroptila sp. Bis 4 mm; Köcher seitlich zusammengedrückt
  3. Stenophylax sp. 25-30 mm; Köcher aus groben Sandkörnern und/oder Pflanzenstückchen
  4. Rhyacophila sp. Bis 25 mm; ohne Köcher, frei umherkriechend
  5. Hydropsyche sp. Bis 2 cm; ohne Köcher; Vorderteil verhornt; spinnt Fangnetze unter Wasser

Zweiflügler-Larven (Larven von Mücken und Fliegen; Abb. 16–18)

  1. Ibisfliege (Atherix sp.) Bis 15 mm; hell braungrau
  2. Stelzmückenlarve (Dicranota sp.) Bis 20 mm; schmutzigweiss
  3. Zuckmücke (Chironomus sp.) Bis 10 mm; Farbe und Grösse je nach Art verschieden, auch blutrote Formen

Krebse, Platt- und Ringelwürmer (Abb. 19–21)

  1. Bachflohkrebs (Gammerus sp.) Bis 20 mm; seitlich abgeplattet
  2. Vierkant-Ringelwurm (Eiseniella sp.) 30-50 mm; rötlichbraun; Hinterkörper vierkantig
  3. Alpenstrudelwurm (Planaria alpina) Bis 16 mm; stark abgeplattet; Fortbewegung gleitend

Bevorzugte Aufenthaltsorte einiger ausgewählter Kleintiere eines Tobelbaches

Auf der Unter- oder Leeseite von Steinen im strömenden Wasser

  • Steinfliegenlarven z.B. Dinocras, Leuctra
  • Eintagsfliegenlarven z.B. Ecdyonurus, Baëtis
  • Köcherfliegenlarven u. -puppen
    • Pflanzenfresser, mit Köcher z.B. Stenophylax, Sericostoma
    • Räuber, ohne Köcher: z.B. Rhyacophila, Hydropsyche
  • Hakenkäfer und deren Larven
  • Strudelwürmer (Planarien)
  • Rollegel

Auf der Oberseite von Steinen im strömenden Wasser

  • Kriebelmückenlarven u. -puppen
  • Lidmückenlarven u. -puppen

In Spalten und Rissen der Steine

  • Wassermilben

Unter Steinen

  • Vierkant-Regenwurm

Im wenige cm tiefen Uferwasser

  • Schnakenlarve Tipula sp.

Auf dünn überrieselten Steinen

  • Tastermückenlarve Dixa sp.

Auf dem Boden ruhiger Bachabschnitte, in Totwasserräumen und Kolkbecken

  • Köcherfliegenlarven mit Köchern
  • Bachflohkrebs Gammerus sp.
  • Wasserassel
  • Ibisfliegenlarven Atherix ibis
  • Bach-Schwimmkäfer
  • Feuersalamanderlarven

Im freien, bewegten Wasser

  • Saitenwurm (Wasserkalb)
  • Bachforelle
  • Groppe (oft auch unter oder zwischen Steinen)

Auf der ruhigen Wasseroberfläche

  • Stosswasserläufer Velia

Eingegraben im feinen Sand der ruhigeren Uferzonen

  • Köcherfliegenlarve Ephemera sp.
  • Libellenlarve Cordulegaster boltoni
  • Schlammfliegenlarve Sialis sp.

In Wohnröhren in der Uferwand

  • Flusskrebs (verlässt nachts das Versteck und läuft dann auf dem Bachboden herum)

Fluginsekten der Stein-, Eintags- und Köcherfliegen

  1. Steinfliege der Gattung Nemoura
    Die Steinfliegen gleichen sehr stark ihren Larven, wobei die Schwanzanhänge oft kürzer sind. Sie können mit den verkümmerten Mundwerzeugen nur noch Wasser aufnehmen und zehren während ihres zwei- bis vierwöchigen Lebens von den Fettvorräten aus ihrer Larvenzeit.
  2. Eintagsfliege Ephemera danica
    Eintagsfliegen leben nur wenige Stunden bis wenige Tage. Sie klappen in der Ruhestellung ihre durchsichtigen Flügel nach oben. Die Mundwerkzeuge sind verkümmert, und der Darm dient als Luftspeicher, der beim Paarungsflug eine wichtige Rolle spielt.
  3. Köcherfliege der Gattung Phrygana
    Köcherfliegen gleichen gewissen grauen Nachtfaltern. Ihre Flügel tragen Haare, die oft schuppenförmig verbreitert sind. Trotz der verkümmerten Mundwerzeuge können die Köcherfliegen noch Wasser oder aus den Blüten Nektar trinken.

Eigenschaften und Merkmale eines Tobelbaches

Die vier Bachabschnitte und ihre Strömungsgeschwindigkeiten

Jeder Bach beginnt mit einer Quelle, wo das Wasser aus dem Boden tritt. Es ergiesst sich in den Oberlauf, wo es vielfach mit hohen Strömungsgeschwindigkeiten von bis 3 m/s fliesst. Im Mittellauf verringern sich Gefälle und Fliessgeschwindigkeit des Wassers. Als Durchschnittswert gilt hier etwa 1 m/s. Im Unterlauf sind meistens noch wesentlich kleinere Werte festzustellen.

Beschaffenheit der Bachsohle

Je stärker die Strömung, desto grössere Steine reisst das Wasser mit. Sie kollern und schleifen über den Bachgrund und reiben sich aneinander, bis sie mehr oder weniger abgerundet sind. Das so entstandene Bachgeröll lagert sich auf der Bachsohle ab, sobald es die Wasserkraft nicht mehr zu transportieren vermag. Grobe Steine bleiben viel schneller liegen als kleine Kiesel oder gar sandige Materialien. Jedes Hochwasser schleppt aber mindestens Teile davon wieder ein Stück weiter. Die «Wohnquartiere» der Wassertiere verändern sich demnach immer wieder.

Wassertemperatur

Sie ändert sich im Verlaufe des Jahres und mit der Entfernung von der Quelle. Im Bereiche der Quelle bleibt das Wasser während des ganzen Jahres gleich kühl, es sinkt also auch im Winter kaum je unter 7–10°C. Im Sommer ist es die kälteste Stelle des Baches, im Winter aber die wärmste. Je mehr sich das Wasser von der Quelle entfernt, umso mehr wird es im Sommer von der Sonne, der Luft und den oberen Bodenschichten erwärmt. Im gleichen Masse kühlt es sich im Winter ab, oft so stark, dass sich am Uferrand und auf der Oberfläche Eis bildet. Der Quellbereich bleibt auch im kältesten Winter immer eisfrei.

Chemische Faktoren

Die schnelle und sprudelnde Strömung sorgt für eine ständige innige Durchmischung des Wassers mit der Luft, was eine Anreicherung mit Sauerstoff bis zur Sättigung ermöglicht. So wird der Zustand genannt, in dem das Wasser die seiner Temperatur entsprechende höchstmögliche Menge an Sauerstoff gelöst enthält. Nur in verschmutzten Bächen mit fäulnisfähigen und damit sauerstoffzehrenden Abwässern kommt es gelegentlich zu Sauerstoffknappheit, die dann meist verheerende Folgen für die Bachbewohner hat. Kalkarmes oder «weiches» und kalkreiches oder «hartes» Wasser sind auch in ihrem Säuregrad verschieden, so dass eine ganze Reihe von Pflanzen und Tieren nur in dem einen oder nur in dem andern leben können.

Anpassungen der Lebewesen im Fliessgewässer

Organismen können in einem Fliessgewässer nur überleben, wenn ihr Körperbau und ihr Verhalten auf die hier herrschenden Bedingungen ausgerichtet sind. Die Temperaturverhältnisse, der Sauerstoff- und Kalkgehalt, die Beschaffenheit der Bachsohle, vor allem aber die Strömung erfordern eine Reihe von Anpassungen. Tiere, die sich nicht gut genug festhalten oder der Strömung nicht ausweichen können, werden weggeschwemmt. Nicht alle sind aber gleich gut an das fliessende Wasser angepasst. Um die Leistungen der an das fliessende Wasser angepassten Tiere würdigen zu können, vergleichen wir die Strömungsgeschwindigkeiten, bei denen Materialien verschiedener Korngrösse gerade fortgeschleppt werden mit den Höchstgeschwindigkeiten, bei denen sich bestimmte Tiere gerade noch halten können:

Strömungsgeschwindigkeiten, bei denen Materialien verschiedener Korngrösse gerade fortgeschleppt werden:

Strömungsgeschwindigkeiten

Höchstgeschwindigkeiten, bei denen sich verschieden gut angepasste Tiere gerade noch halten können:

Zwei besondere Kleinlebensräume im Bach

Ganz besondere Aufenthaltsmöglichkeiten bieten die Grenzschicht auf überströmten Steinen und die Totwasserräume zwischen Steinen und in kleinen Hohlräumen des Bachbettes.

Grenzschicht

Das bewegte Wasser wird an allen festen Körpern wie Steinen, Sand oder Pflanzen abgebremst. Um einen im Bach liegenden Stein bildet sich als Wirkung der inneren Reibung eine Zone, in der das Wasser erheblich langsamer fliesst. Diesen Bereich nennt man Grenzschicht. Unmittelbar an der Steinoberfläche sinkt die Fliessgeschwindigkeit sogar auf Null. Andererseits geht die Zone des schwach bewegten Wassers ohne feste Grenze in den normal fliessenden Wasserkörper über. Die Grenzschicht kann wirbelfrei oder turbulent oder beides sein.

Sie spielt auch bei Flugzeugen und Schiffen eine wichtige Rolle. Sie beträgt an Propellern 0,1-1 cm, an Flugzeugtragflächen mehrere cm und an Schiffwänden 0,1-1 m.

Auf wasserüberflossenen Backsteinen bilden sich Grenzschichten mit einer Dicke von maximal 3-4 mm. Vergleichbare Werte finden wir auch an den Steinen in einem Bach. Diese Dicke genüget, um sehr vielen Bachtieren einen Schutz vor der direkten Strömung zu geben, ohne sich verkriechen zu müssen. Wir finden hier vor allem kleine Arten und Frühstadien vieler Wasserinsektenlarven.

Totwasserräume

Die Räume zwischen den Erhebungen der Gewässersohle sind vor der Strömung geschützt, denn diese schert ab und fliesst darüber hinweg. Das entstehende Totwasser bewegt sich nur noch langsam und wie eine Walze. Dadurch ist der Austausch gelöster Stoffe gewährleistet. Zudem wirken die Totwasserräume wie Fallen für pflanzliche Nährstoffe und Beutetiere, sind also geradezu ideale Aufenthaltsorte für viele Tiere, die bei zweckmässigem Verhalten nicht weggeschwemmt werden können.

Anpassungen des Körperbaues und des Verhaltens ausgewählter Kleintiere in einer kleinen Übersicht

Organismen weisen in ihrem Bau, in ihren physiologischen Leistungen und in ihrem Verhalten bestimmte Anpassungen auf, die es ihnen gestatten, die jeweils gebotenenen Umweltfaktoren möglichst gut zu nutzen oder ihnen zu widerstehen. Diese Anpassungen sind im Laufe der Evolution bei Auseinandersetzungen mit der belebten und unbelebten Umwelt durch natürliche Selektion herausgebildet worden.

Anpassungen des Körperbaues

  1. Stromlinienform: Eintagsfliegenlarven Baëtis
  2. Abplattung des Körpers: Eintagsfliegelarven Ecdyonurus
  3. Schildform mit hydraulischem Abschluss: Eintagsfliegenlarven Epeorus und Rhitrogena
  4. Haftscheiben: Kriebelmückenlarven Simulium
  5. Haken, Krallen oder Klauen zum Festhalten
    1. Zwei Krallen an den Endgliedern der Füsse: Steinfliegenlarven
    2. Eine Kralle an den eingliederigen Füssen: Eintagfliegenlarven
    3. Klauen auch am Hinterleibsende: Räuberische Köcherfliegenlarven Rhyacophila und Hydropsyche
  6. Hohe Regenerationsfähigkeit: Strudelwürmer

Anpassungen des Verhaltens

  1. Bau von Köchern: Pflanzenfressende Köcherfliegenlarven und Puppen der räuberischen Köcherfliegenlarven
  2. Aufsuchen strömungsarmer Bereiche: Bachflohkrebs Gammarus
  3. Durch Eingraben der Strömung ausweichen: Eintagsfliegenlarve Ephemera, Libellenlarven Cordulegaster
  4. Aufsuchen strömungsreicher Bereiche: Kriebelmückenlarven und -puppen Simulium, Lidmückenlarven und -puppen, Liponeura
  5. Anlegen von klebrigen Schleimspuren oder von Sicherungsfäden: Schnecken und Strudelwürmer, Räuberische Köcherfliegenlarven Rhyacophila

Anpassungen des Körperbaus

1. Stromlinienform

Ein stromlinienförmiger Körper macht einen Aufenthalt auch in stärkerer Strömung möglich. So weisen die Eintagsfliegenlarven der Gattung Baëtis eine geradezu perfekte Stromlinienform auf. Sie können zudem die Körperhaltung mit den Schwanzanhängen steuern. Bei Bedarf schliessen sie diese mittels Haaren zu einer Flosse zusammengeschlossen.

2. Abplattung des Körpers

Flache Körper oder Körperteile setzen dem Fliesswasser wenig Widerstand entgegen. In der Grenzschicht werden diese Tiere sozusagen selbst zum Untergrund. Gute Beispiele zeigen die extrem abgeflachten Eintagsfliegenlarven der Gattung Ecdyonurus . Ihre Köpfe sind so stark abgeplattet, dass die Augen aus Platzgründen auf der Oberseite liegen müssen. Die Kopfvorderseite ist schaufelförmig ausgezogen und schmiegt sich fast zwischenraumfrei an die Unterlage an. Das gleiche gilt auch für die Schenkel der sechs Beine und für die bogenförmigen seitlichen Verlängerungen der Vorderbrust.

Eintagsfliegenlarve Ecdyonurus von oben und von der Seite

3. Schildform mit hydraulischem Abschluss

Abgeplattete und verbreiterte Körpersegmente und eine «hydraulische Anordnung» der Körperanhänge ergeben eine saugnapfähnliche Festhaltemöglichkeit. Die besten Beispiele dazu liefern die Eintagsfliegenlarven der Gattung Epeorus . Ihre sehr flachen, tropfenförmigen Körper schmiegen sich fest der Unterlage an. Dabei dichtet ein Borstensaum am Vorderrand des Kopfes den Spalt zwischen Körper und Unterlage ab, so dass hier kein Wasser eindringen und das mit den Schwanzfäden bis 35 mm lange Tier anheben kann.

Die Beine bieten der Strömung nur ihre sehr dünne Vorderkante; sie sind zudem messerflach und tragen auf der Hinterseite einen Borstensaum, der die Wirbelbildung verhindert.

Die Kiemenblätter decken sich dachziegelartig und schmiegen sich den Bodenunebenheiten praktisch lückenlos an.

Die zwei langen Schwanzborsten (nicht drei, wie bei den anderen Eintagsfliegenlarven) haben die Funktion einer Wetterfahne und drehen die Tiere gegen die Strömung.

Eintagsfliegenlarve Epeorus (mit nur 2 Schwanzfäden)
Eintagsfliegenlarve Rhitrogena

Haftscheiben, Saugnäpfe und Gespinste ermöglichen an glatten Unterlagen ein Festhalten selbst in reissender Strömung. So trägt das letzte der 3-4 keulenförmig aufgeschwollenen Hinterleibssegmente der Kriebelmückenlarven Simulium eine Haftscheibe, die Fliessgeschwindigkeiten bis knapp drei Metern in der Sekunde standhält. Die Larven hängen in der Regel auf der Leeseite der Steinoberfläche, wo sie mit den weitgespreizten, fächerartigen Mundteilen essbare Teile aus der Strömung filtern.

Wenn sie den Wohnplatz einmal verlassen müssen, was freiwillig wohl selten geschieht, so bewegen sie sich wie eine Spannerraupe vorwärts. Sie befestigen dazu abwechselnd die Stummelfüsse des Vorderendes und die Haftscheibe an der Unterlage.

Auch der an den Steinen festgesponnene, schildförmige, nach unten offene Kokon, in welchem die Simulium-Puppen ruhen, ist grossen Fliessgeschwindigkeiten gewachsen.

An besonders günstigen Stellen im Bach, wo die Strömung viele kleine Organismen, organische Partikel und Schlammteilchen heranschwemmt, bilden Kriebelmückenlarven in der Regel ganze Teppiche auf den Steinoberseiten. Oft findet man bis 30 mehr oder weniger senkrecht nebeneinander stehende Tiere auf einem Quadratzentimeter.

In Mitteleuropa gibt es etwa 30 verschiedene Arten. Die Imagines sind blutsaugend und können für den Menschen, der sich in der Nähe eines Fliessgewässers aufhält, recht unangenehm werden. Wenn sich Massen bestimmter Kriebelmückenarten auf Viehherden stürzen, kann es zu Todesfällen durch Herzlähmung kommen. In Nordamerika und im Balkan kam es aus diesem Grunde schon zu grossen Viehsterben. Die Arten unserer Bäche und Flüsse sind in der Regel viel harmloser, Blutsauger sind aber auch sie.

5. Haken, Krallen oder Klauen zum Festhalten

Steinfliegenlarven

Das letzte der drei Fussglieder besitzt zwei starke Krallen. Mit den insgesamt zwölf Krallen können sich die Tiere an den rauhen Steinoberfläche recht gut verankern. Die grössten Arten haben zudem einen etwas abgeflachten Körper und auch deutlich abgeflachte Beine, die nach hinten durch einen breiten Haarsaum verlängert sind. Um sich vor dem Wegschwemmen zu schützen, sicher aber auch wegen der fast allen Arten eigenen Lichtscheu, halten sie sich gewöhnlich an der Unter- oder Leeseite hohl aufliegender Steine auf. Hier kriechen sie meist nur langsam umher. Die meisten Arten schwimmen schlecht und meist nur, wenn sie dazu gezwungen werden.

Eintagsfliegenlarven

Die eingliedrigen Füsse besitzen nur eine Kralle. Diese bescheidenere Verankerungsmöglichkeit wird in vielen Fällen durch stromlinienförmige, abgeplattete oder schildförmige Körper ergänzt. Die Aufenthaltsorte entsprechen denjenigen der Steinfliegen. Einige Arten schwimmen besser als diese.

Räuberische Köcherfliegenlarven

Tiere der Gattungen Plectrocnemia, Rhyacophila und Hydropsyche bauen keine Köcher. Die „nackten“ Tiere besitzen neben mehreren Spornen an den Beinen und je einer Fusskralle zusätzlich einen Hinterleibsfortsatz mit einer Doppelkralle. Sie sichern ihre Wege ausserdem mit einem Seidenfaden, den sie in kurzen Abständen auf der Unterlage befestigen.

Die Hydropsychiden erstellen auf der Unterseite von Steinen einen offenen Wohnraum, indem sie Steinchen locker zusammenspinnen und in der Öffnung ein etwa quadratzentimetergrosses Fangnetz mit regelmässigen Maschen anlegen, das genau in der Strömungsrichtung liegt. Die Larve lauert im Wohnraum, von wo aus sie die ins Netz geratenen, kleinen Insektenlarven fängt. Wird das Netz zerstört, so erstellt sie in wenigen Stunden ein neues.

Nackte, räuberische Köcherfliegenlarven:

Rhyacophila (links) und Hydropsyche mit Fangnetz

6. Regenerationsfähigkeit

Tiere, die in einem Fliessgewässer leben, sind immer wieder der Gefahr ausgesetzt, durch die rollenden und schleifenden Steine beschädigt oder gar zerrissen zu werden. Viele von ihnen sind in der Lage, abgebrochene Körperteile zu ersetzen oder gar aus Teilstücken wie der zu ganzen Tieren heranwachsen.

Bei den jungen Eintagsfliegenlarven wachsen abgebrochene Kiemenblättchen, Beine, Fühler und Schwanzfäden wieder nach, so dass die Tiere nach der nächsten Häutung wieder vollständig intakt weiterleben können. Sie sind auch in der Lage, jedes der sechs Beine abzuwerfen, wenn im Gelenk zwischen Hüftglied und Schenkel ein zu starker Zug oder Druck erfolgt. Mit dieser Selbstverstümmelung retten sie in vielen Fällen ihr Leben. Wenn sie aber alle sechs Beine auf einmal verlieren, sterben sie allerdings.

Bei den Strudelwürmern ist die Regenerationsfähigkeit unglaublich weit entwickelt. Noch der tausenste (!) Teil eines Tieres kann wieder zu einem vollständigen Lebewesen auswachsen. Die meisten Arten sind lichtscheu und halten sich aus diesem Grunde vor allem auf der Unterseite von Steinen auf. Sie verdanken ihren Namen dem dichten Wimperkleid, das die ganze Körperoberfläche bedeckt. Es dient einerseits dem Heranstrudeln von frischem Atemwasser und andererseits der Fortbewegung. Die Tiere gleiten mit ihrer Bauchseite schneckenartig über die Unterlage und hinterlassen häufig eine Schleimspur. Sie ernähren sich hauptsächlich von lebenden und toten Tieren. Verdauungssekrete, die durch einen Rüssel austreten, lösen die Gewebe des Beutetieres weitgehend auf. Der so entstandene Nahrungsbrei wird dann vom Strudelwurm aufgesogen.

Anpassungen des Verhaltens

Es ist schwierig, einen Trennungsstrich zwischen die Anpassungen im Körperbau und die Anpassungen im Verhalten im Verhalten zu ziehen. Morphologische Anpassungen sind nur dann wirklich sinnvoll, wenn sie mit einem entsprechenden Verhalten der Tiere gekoppelt sind.

1. Bau von Köchern

Alle pflanzenfressenden Köcherfliegenlarven besitzen die Fähigkeit, mit dem Seidensekret ihrer Spinndrüsen einen röhrenförmigen Hohlmantel, den sogenannten Köcher, herzustellen, der ihren Hinterleib umgibt, und in den sie sich auch ganz zurückziehen können. Fast alle Arten verstärken die Aussenseite des Köchers mit Sandkörnchen, kleinen Steinchen oder kurzen Pflanzenteilchen. So entstehen charakteristische, von Art zu Art verschieden gebaute Gehäuse.

Typische Formen:

  • Steinköcher mit besonderen Gewichts- oder Ballaststeinen bei Silo sp.
  • Gekrümmte Steinköcher, die schlechter rollen als walzenförmige Röhrchen beiSericostoma sp.
  • Steinköcher, die an der Unterlage angekittet sind oder Verankerungsfäden besitzen bei Stenophylax sp.
  • Eine besondere Stellung nehmen die steinhaufenähnlichen Schutzbauten für die Puppen der räuberischen Köcherfliegen Rhyacophila ein. Die mit Spinnfäden zusammengeklebten Steinchen bilden ein Gewölbe, das auf der Unterseite von grösseren Steinen angebracht wird.
Köcherfliegenlarve Silo mit seitlichen Ballaststeinen (links), Köcherfliegenlarve Sericostoma mit gekrümmtem Köcher (mitte), Puppengehäuse der räuberischen Köcherfliege Rhyacophila (rechts).

2. Aufsuchen strömungsarmer Bereiche

Der Bachflohkrebs Gammerus pulex weicht der Strömung aus und versteckt sich beispielsweise unter dem Fallaub, das auf dem Bachgrund liegt. Der stark gekrümmte Körper ist seitlich abgeplattet. Er ist nicht in der Lage, auf seinen Beinen zu stehen, sondern liegt immer auf der Seite. Die weisslichen, grünlichen oder gelblichen Tiere werden 10-20 mm lang. Die Männchen sind erheblich grösser als die Weibchen.

Wenn die Bachflohkrebs schwimmen, krümmen sie den Hinterleib nach vorn gegen die Bauchseite und strecken ihn dann wieder ruckartig und mit grosser Kraft nach hinten. Oft sieht man die Tiere auch in Seitenlage auf dem Boden herumrutschen, wobei die Brustbeine den Körper ziehen und schieben, während ihn der sich krümmende Hinterleib nach vorne stemmt.

Bachflohkrebs Gammerus pulex in der für ihn typischen Seitenlage

3. Durch Eingraben der Strömung ausweichen

Die 15-23 mm lange, fast walzenförmige, gelbliche Eintagsfliegenlarve Ephemera vulgata gräbt in der Uferzone mit langsam fliessendem Wasser u-förmige Wohnröhren in den sandigen, lehmigen oder schlammigen Grund, die allerdings kaum lange bestehen bleiben. Als Bohrer dienen die dolchartigen Oberkiefer, als Schneidgerät ein messerflach verlängerter Kopfschild und als Schaufeln die abgeflachten Vorderbeine. Die Tiere ernähren sich von den gröberen organischen Bestandteilen der obersten Sedimentschichten. Sie atmen mit Hilfe der sechs Paar büschelförmigen Tracheenkiemen, die auf dem Rücken liegen und mit wallenden Schlägen das Wasser von vorne nach hinten bewegen.

Grabende Eintagsfliegenlarve Ephemera vulgata

4. Aufsuchen strömungsreicher Bereiche

Es gibt zwei Hauptgründe, im Bach Gebiete mit starker Strömung aufzusuchen, den Nahrungserwerb und die Sicherstellung der Sauerstoffversorgung.

Nahrungserwerb

Die räuberische Köcherfliegenlarve Hydropsyche baut ihre Fangnetze senkrecht zur Strömung. Damit ist einerseits eine gewisse Stabilität gewährleistet, andererseits führt das fliessende Wasser immer wieder Nahrung zu, die im Netz hängenbleibt. Wie es diese Tiere fertig bringen, in der Strömung die ausserordentlich feinen und regelmässigen Fangvorrichtungen zu bauen, bleibt geheimnisvoll. Die Leistung ist erstaunlich.

Die Kriebelmückenlarve Simulium kann sich dank ihrer Haftscheibe am Hinterleib in die starke Strömung hängen. Die beiden schaftartigen Seitenteile der Oberlippe, die jederseits einen grossen und zwei kleine Fächer aus feinen, teilweise kammartigen Borsten besitzen, bilden zwei Körbe, mit denen die Larve Algenzellen, Detritus und andere kleine organische Teile aus dem strömmenden Wasser filtert.

Sauerstoffversorgung

Insektenlarven, die ihre Sauerstoffversorgung durch die Hautatmung oder durch die Atmung mit starren Kiemenblättchen und -büscheln sicherstellen, sind auf die nie abrechende Zuführung frischen Wassers angewiesen. Das ist nur möglich, wenn sie sich in die Strömung stellen. Beispiele:

  • Die kleineren Steinfliegenlarven atmen nur durch die Haut, die grossen entwickeln zusätzlich noch fadenförmige Tracheenkiemen, die sie aber nicht aktiv bewegen können.
  • Die Eintagsfliegenlarven der Gattung Baëtis besitzen starre Kiemen, und bei der Gattung Rhitrogena sind die seitlichen Kiemen sogar zu einem Saugnapf umgebildet. Letztere atmen nur noch mit einem Paar grosser bauchseits gelegener Kiemen.
  • Die Köcherfliegenlarven verschieben sich zur Verpuppung in stärker strömende Zonen, damit sie während des unbeweglichen Puppenstadiums nicht an Sauerstoffmangel zu leiden haben oder gar trocken gelegt werden.

5. Anlegen von klebrigen Schleimspuren und Sicherungsfäden

Schnecken und Strudelwürmer legen Schleimspuren an, die allerdings nur eine beschränkte Haftung ermöglichen. Etwa die gleiche Wirkung dürften die Sicherungsfäden der räuberischen Köcherfliegenlarven haben.

Betrachtungen zum Ökosystem Tobelbach

Kurze Erklärungen zu häufig verwendeten Begriffen

BiozönoseAlle Pflanzen und Tiere z.B. eines Tobelbaches bilden zusammen eine Lebensgemeinschaft oder Biozönose, in der sich die einzelnen Organismen gegenseitig beeinflussen.
BiotopDen Lebensraum einer Lebensgemeinschaft, z.B. den Tobelbach selber, nennt man Biotop. Er beeinflusst mit seinen Faktoren das tierische und pflanzliche Leben. Im Falle eines Baches sind das u.a. die Fliessgeschwindigkeit, die Temperatur, der Sauerstoff-, Kalk und Schadstoffgehalt des Wassers, die Beschaffenheit des Bachbettes und die Besonnung.
ÖkosystemLebensgemeinschaft und Lebensraum oder die Gesamtheit von Biozönose und Biotop bilden ein Ökosystem oder den Naturhaushalt.
ÖkologieDie Lehre vom Haushalt der Natur oder die Ökologie beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt.

Die Lebensschichten des Ökosystems eines Tobelbaches

Wie in jeder Lebensgemeinschaft besteht auch im Tobelbach die Grundlage des tierischen Lebens aus den organischen Stoffen, die in der Photosynthese der Pflanzen durch Bindung der Sonnenenergie mit Hilfe des Blattgrüns gebildet werden. Wenn man den Naturhaushalt oder den Kreislauf der Stoffe verstehen will, beginnt man am besten mit der untersten Schicht, in der aus anorganischen organische Substanzen produziert werden.

Lebensschicht der Erzeuger oder Produzenten

Im Tobelbach sind dieser Schicht in erster Linie Kiesel- und Grünalgen zuzuordnen. Diese ein- bzw. mehrzelligen Pflanzen bilden auf vielen Steinen einen Überzug. Sie sind auf der Steinoberfläche weitgehend von der Strömung geschützt, das Sonnenlicht hat an vielen Stellen freien Zutritt und das Wasser führt immer neu die notwenigen Gase und Nährstoffe zu. So bilden sich vor allem in der warmen Jahreszeit üppige Kieselalgenrasen, die als millimeterdicke, schleimige, braune Schichten in Erscheinung treten. Weitere organische Substanzen liefern die Blätter und Nadeln, die in den Bach fallen und dort sehr langsam abgebaut werden. Ihre Zersetzungsprodukte bilden zusammen mit andern den sogenannten Detritus.

Die Verbraucher oder Konsumenten eines Tobelbaches

Die Organismen der ersten Konsumentenschicht ernähren sich ausschliesslich von den Produzenten. Dazu gehören u.a. die individuenreichen Eintagsfliegenlarven Baëtis und Ecdyonurus und die in ganzen Rasen auftretenden Kriebelmückenlarven Simulium, aber auch die Larven der kleinen Steinfliegen, die raupenförmigen Köcherfliegenlarven und die Flohkrebse Gammerus.

Über dieser ersten befindet sich eine zweite Konsumentenschicht. Sie setzt sich aus räuberischen Insektenlarven zusammen, die sich ausschliesslich von den Tieren der ersten Schicht ernähren. Zu ihr gehören u.a. die räuberischen Köcherfliegenlarven Rhyacophila und Plectrocnemia, die Larven der grossen Steinfliegen und der Schlammfliegen.

Auf der zweiten baut sich eine dritte Konsumentenschicht auf, die sich von den Tieren der ersten und zweiten Konsumentenschicht ernährt. Dazu gehören u.a. die Groppe, die Forelle und die Wasseramsel.

Nicht alle Tiere lassen sich aber eindeutig einer Schicht zuordnen. So fressen z.B. die Larven der Fangnetze bauenden Köcherfliege Hydropsyche neben grossen Mengen von Baëtis- und anderen Insektenlarven auch ins Netz geratene pflanzliche Nahrung. Die Speisekarte der Flusskrebse ist noch reicher. Weil er mit Vorliebe Fischlaich verzehrt, müsste man ihn einer vierten Konsumentenschicht zuordnen. Er frisst aber auch Insektenlarven der ersten und zweiten Schicht und sogar Pflanzen.

Die Zersetzer oder Reduzenten eines Tobelbaches

Abgestorbene Pflanzen und verendete Tiere aller Konsumentenschichten verwesen und werden u.a. durch Bakterien und Pilze zu anorganischen Stoffen abgebaut, die dann den Pflanzen, also den Produzenten, wieder als Bausteine zur Verfügung stehen. Die Arbeit der Reduzenten lässt sich in einem Bach kaum beobachten, denn ein grosser Teil des toten Materials wird fortgeschwemmt.

Das offene Ökosystem eines Tobelbaches

Das Ökosystem eines Tobelbaches ist nicht geschlossen wie dasjenige eines Sees, sondern offen und damit stark von der Umgebung abhängig. Viele Stoffe werden von aussen zugeführt. So fallen Blätter und Nadeln ins Wasser und Salze gelangen mit dem Regen- und Quellwasser aus Gestein und Boden in den Bach, werden aber mit der Strömung auch wieder hinausgeführt. Auch die zahllosen Insekten, die als Larven im Bach aufwachsen und diesen dann als Geschlechtstiere verlassen, entziehen dem ursprünglichen Lebensraum die in ihren Körpern angehäufte organische Substanz.

Ausschnitt aus dem Nahrungsnetz eines Tobelbaches

nach Wildermuth, Lebensraum Wasser, 1986

Eine Nahrungskette zeigt, wie sich verschiedene Lebewesen voneinander ernähren. Die Eintagsfliegen leben vorwiegend von Algen. Gleichzeitig sind sie Beutetiere der Steinfliegenlarven, die ihrerseits von Groppen und Forellen verschlungen werden. Letztere frisst auch Groppen, wird aber ihrerseits fast nur vom Menschen verfolgt, da im Bach grössere Raubfische fehlen. Jede Nahrungskette beginnt mit Produzenten und endet mit Konsumenten höchster Ordnung. Die Masse der Individuen nimmt von Stufe zu Stufe um 90% ab.

Stellung einzelner Tierarten in der Lebensgemeinschaft

Nahrungsnetze zeigen nur einen Aspekt, nämlich dass die Tierarten einer Lebensschicht von den unter ihnen liegenden Schichten abhängig sind. Die Überlebensmöglichkeiten jeder Art werden aber ebenso vom Druck der Feinde und der Konkurrenten bestimmt. Darüber hinaus weist natürlich auch der Lebensraum eine Anzahl begrenzender Faktoren auf. Die wichtigsten davon sind, wie bereits früher geschildert, die Strömung, der Bachuntergrund, die Temperatur, der Sauerstoffgehalt und andere chemische Eigenschaften. Aus all diesen Gründen kann ein Artengefüge niemals starr sein, vielmehr sind die Individuenzahlen der einzelnen Arten ganz erheblichen Schwankungen unterworfen.

Jede Tierart einer Lebensgemeinschaft befindet sich in einem vielseitig beeinflussten Kraftfeld:

  • Von unten wird sie getragen durch ihre Beutetiere oder durch die Produzenten. In natürlichen Bächen ist genügend Nahrung vorhanden, und die meisten Arten haben ein breites Nahrungsspektrum.
  • Über fast jeder Tierart lastet ein grosser Feinddruck. Grosse Verluste und die damit verbundene geringe Lebenserwartung werden meistens durch eine grosse Zahl von Nachkommen kompensiert.
  • Da es in einem Bach fast immer genügend Nahrung gibt, ist der Konkurrenzdruck zwischen den Arten der gleichen Konsumentenschicht gering.

Der Besiedlungskreislauf

In allen Lebensräumen versuchen die meisten Tierarten ihre ständigen Verluste einzelner oder auch sehr vieler Individuen durch hohe Nachkommenzahlen auszugleichen. Wenn die Indivi- duenzahl einer Tierart in einem bestimmten Lebensraum trotz oft erheblicher Schwankungen von Generation zu Generation immer wieder in etwa gleicher Häufigkeit vorkommt, so hat sich ein dynamisches Gleichgewicht eingestellt. Das heisst, dass über längere Zeiträume gesehen ihre Vermehrungsrate ungefähr der Verlustrate entspricht. Die Erhaltung dieser Art ist dann normalerweise gesichert.

In einem Tobelbach genügt eine hohe Nachkommenzahl allein nicht, um die Erhaltung einer Art zu sichern. Es gilt, zusätzliche Verluste auszugleichen, die durch das strömende Wasser entstehen. Auch optimale Anpassungen können nicht verhindern, dass vor allem bei Hochwasser immer wieder grosse Mengen von Tieren bachabwärts geschwemmt werden. Mit der Zeit würden so viele Bäche praktisch leergefegt. Bei vielen Tierarten kann man eine sinnvolle Regulation feststellen, die man als Besiedlungskreislauf bezeichnen kann. So fliegen zahlreiche Insekten ein langes Stück bachaufwärts, um in den oberen Regionen ihre Eier abzulegen. Bestimmte Eintagsfliegenarten verschieben sich sogar in grossen Schwärmen. Wassermilben benützen die Fluginsekten als Transportmittel und gelangen auf diese Weise wieder in höher gelegene Bachstrecken.

Besiedlungskreislauf von Eintagsfliegen in einem Tobelbach (nach Illies, 1961).

In grösseren Bächen und in Flüssen wandern auch die Forellen – früher tat es auch der Lachs – in die Quellregion, um dort in den Wintermonaten ihren Laich auf dem kiesigen Bachgrund abzulegen. Muscheln heften sich im Stadium der Glochidien (= beschalte Larven) an der Haut oder an den Kiemen von Fischen fest und gelangen so in obere Abschnitte. Strudelwürmer und selbst Flohkrebse können bei günstigen Strömungsverhältnissen selber bachaufwärts wandern. Wie das Schnecken und Flusskrebse bewerkstelligen, ist noch nicht geklärt.

Ergänzungen: Insektenlarven aus Gebirgsbächen

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